Dannimax goes Oscars! Heute: Hacksaw Ridge

Wer auch immer meinen Facebookaccount aufmerksam liest, wird wissen – zusammen mit Oli gehe ich bereits in die dritte Saison mit dem Ziel, alle Filme zu sehen, die für „Best Picture“ bei den Oscars nominiert wurde. Heute konnte auch endlich die Saison 2017 beendet werden. Mit einem Kriegsfilm aus der Feder von Mel Gibson. Beruhend auf eine wahre Begebenheit tauchten wir in die Welt ein von „Hacksaw Ridge“. SPOILERS AHEAD!

Vorab zur Geschichte, erzählt wird das Leben von Desmond Doss, einem Veteran und Medic der US Army, welcher sich im zweiten Weltkrieg weigerte, eine Waffe in die Hand zu nehmen und sich dennoch durch heldenhafte Taten die Medal of Honor verdiente, als er in Okinawa zwischen 50 und 100 verwundete Soldaten rettete, trotz japanischem Sperrfeuer. Die Geschichte dieses Kriegshelden hat sich nun Mel Gibson geschnappt, welcher ja schon immer ein Faible für religiöse Patrioten und blutdurstige Gewaltorgien hatte. Und er lieferte, was zu befürchten war – einen völlig verhunzten Kriegsfilm, der die eigentliche Heldentat des Desmond Doss tatsächlich sehr spannend erzählt, der die drum herum liegenden zwei Stunden aber zu einem qualvollen, platten und bedeutungslosen Füllwerk macht.

Gerade der Anfang hinterlässt den Eindruck, als hätte Gibson auf sämtliche Charakterbildung keinen Bock gehabt. Nach 5 Minuten bedeutungslosem Umherfliegen menschlicher, brennender Körperteile und einem auf einer Trage herum getragenen Soldaten gibt es einen Rückblick seines bisherigen Lebens, erst ein Ereignis aus seiner Kindheit, wo er seinen Bruder beim Raufen fast mit einem Stein erschlägt und beim Anblick eines Heiligenbildes im Esszimmer von Schuldgefühlen geplagt auf einmal den Pazifisten in sich findet, dann geht es wieder 15 Jahre nach vorne. Man wird zunächst Zeuge, wie er Zeuge eines Unfalls wird und hilft, den verletzten ins Krankenhaus zu bringen. Als er sich dort umguckt, scheint er gefallen am Sanitätsdienst gefunden zu haben. Hier hätte man eigentlich einen schönen Bezug dazu aufbauen können, wie er zum Medic wurde. Aber nein, stattdessen haben sie seine zukünftige Ehefrau als Krankenschwester eingebaut und als nächstes gibt es eine kitschige, schmierige Lovestory, von der sich nicht einmal Anakin Skywalker hätte verstecken müssen. Und urplötzlich hat er sich dann auch schon bei der Army eingeschrieben, weil er seinem Land ja was zurück geben will. Erklärt wird das mit einer einzigen Gesichtsmimik während einem Besuch im Kino, als sie gerade Hitler im Kino zeigen. Klingt knapp? Ist es. So verwundert es nicht, dass ob diesem dahin gerotzten Charakterbuilding der wirkliche Bezug zum Protagonisten nie so wirklich aufkommt.

Sogar die Verlobungsszene ist kitschig und völlig deplatziert, da seine Ehefrau in diesem Film eigentlich gar keine so wichtige Rolle einnimmt. Aber als er dann zur Grundausbildung geht, gibt sie ihm natürlich eine Bibel mit, in der er danach immer wieder hochinteressiert drin liest.

Das zweite Kapitel des Films ist dann die Ausbildung bei der Armee. Und die ist eine Mischung aus einem billigen Full Metal Jacket-Klon und Hot Shots 2. Es ist unmöglich, die völlig überzeichneten Zimmergenossen ernst zu nehmen. Ob es nun der Angeber ist, der ja unbedingt splitterfasernackt seine Sportübungen machen muss, die beiden Toughboys, die sich gegenseitig Messer vor die Füße werfen oder der Quotenitaliener, sie alle verhalten sich völlig unnatürlich. Und das gilt dann auch für den Ausbilder, für den sie Vince Vaughn aus der Versenkung ausgegraben haben und der einen unerträglichen Ripoff von Gunnery Seargant Hartman abgibt. Er ist somit in dieser Rolle einfach nicht ernst zu nehmen. So will auch in diesem Kapitel keine wirkliche Stimmung aufkommen.

Natürlich soll hier die Geschichte erzählt werden, wieso er sich nun weigert, eine Waffe in die Hand zu nehmen. Er… tut es einfach. Man hat zuvor tatsächlich vergessen zu zeigen, dass er irgendwo erklärt, dass er keine Waffe in die Hand nehmen wird. Immerhin gibt’s später flashbacks, die das ganze erklären, aber zu diesem Zeitpunkt ist es nicht etwa so, dass man sich wundert, warum er jetzt nicht zur Waffe greift, sondern man ärgert sich, dass es so schlecht dargestellt wurde.

Es folgen weitere Klonelemente aus Full Metal Jacket. Natürlich wird er zum Hobby der Ausbilder, natürlich wird er von seinen Kameraden verprügelt und natürlich verrät er sie nicht, als der Ausbilder ihn deswegen in die Mangel nimmt. Und am Ende verbieten Sie ihm sogar die Heimkehr, weil er ja noch keine Übung an der Waffe gemacht hätte, obwohl er angeblich noch am Nachmittag endlich seine Frau heiraten wolle. Völlig Weltfremd sieht man danach die Ehefrau im Brautkleid in der Kirche vor versammelter Mannschaft. Als hätte der vorher keiner Bescheid gesagt, als ob bei der Army nur Arschlöcher arbeiten würden, die kein Telefon bedienen könnten. Doch auch hier wird nochmal eins drauf gesetzt, denn als man ihn auch noch ins Gefängnis steckt, weil er ja den direkten Befehl, eine Waffe in die Hand zu nehmen verweigert, kommt sein Dad, vorher nur als Kriegsmüder, depressiver Suffkopf beschrieben wurde (wobei Hugo Weaving diesen tatsächlich gut spielt), daher, packt sich in seine alte Uniform und holt sich von seinem alten Kriegskameraden einen Auszug aus einem Gesetzestext und prügelt sich fast in den Gerichtssaal, um seinen Sohn da raus zu holen. Der Schmalz scheint wahrlich kein Ende zu nehmen. Es trieft vor billigem Klischee und es fällt schwer zu glauben, dass dieser Film für den besten Film nominiert wurde. Es wirkte eher wie eine Michael Bay Verfilmung. Anderseits hat Moonlight gewonnen. Und so schlecht wie Moonlight war Hacksaw Ridge immer noch nicht.

Da er jetzt ohne Waffe nach Okinawa darf, gibt’s auch Kapitel 3. Endlich darf Gibson die grausame Patriotenader ausleben und mit Körperteilen und Gedärmen um sich werfen. Und schon offenbart der Film seine nächste Schwachstelle. Ich nenne es gerne das „Age of Ultron“-Problem. Es beginnt ein endloses Geballer, in dem Japaner und Amerikaner im Sekundentakt grausam zu Tode kommen… und der Zuschauer bleibt völlig emotionslos. Weil es repetitiv ist und irgendwie bedeutungslos. Die Personen sind austauschbar, man erkennt sofort, dass die Statisten einfach nur Erfüllungsgehilfen sind. Die kleinen Tragödien, wie sie zum Beispiel der Soldat James Ryan perfekt erzählt, fehlen hier nahezu komplett. Man erfährt auch nichts über den Angriff auf Okinawa selbst oder den Gegner. Es ist einfach nur ein großes Schlachtfeld, wenn man den Ton ausschalten würde und behaupten würde, dass diese Schlacht gerade in Korea, Nordafrika, der Normandie oder im Nigerianischen Dschungel statt fände, gäbe es nichts, was das in Frage stellen könnte. Nichts verpasst dem Gemetzel irgendeinen Charakter.

Hinzu kommt das Gefühl, dass hier gerade die falsche Geschichte erzählt wird. Sollte es hier nicht um die Rettungstaten des Medics Desmond Doss gehen? Er tritt aber kaum in Erscheinung. Stattdessen werden eben Redshirts gekillt. Tatsächlich muss man sich erstmal in die Schützengräben bunkern, um tags drauf von einer urplötzlich erscheinenden Armada von Japanern wieder vertrieben zu werden. Und Doss zieht sich nur nicht komplett zurück, weil er gerade den Tod seines Buddys betrauert und kurze Zeit den Glauben zu Gott zu verlieren scheint, bevor er irgendwo einen Hilferuf hört und dann eben los zieht, um Leute zu retten.

Und dieser Part wiederum ist wirklich gut. Auf einmal ist man hier im Film drin und man schaut gespannt, wie es ihm wohl ergehen wird. Wenngleich auch hier einige überspitzte Dummheiten passieren. So sucht er z.B. durch ein Loch im Boden Schutz in einer Bunkeranlage und kommt gerade noch davon, als ihm Japaner eine Handgranate hinterher werfen. Durch diesen Bunker laufen dann ganz viele Japaner umher und er kann nicht nur sich selbst erfolgreich verstecken, sondern sogar noch einen verwundeten japanischen Soldaten heilen. Während ich mir die Frage stelle, welcher hirnverbrannte Japaner eine Handgranate in die eigene, besetzte Bunkeranlage werfen würde…

Zu guter Letzt rettet er natürlich noch seinen eigenen Ausbilder. Im Feldlazarett sieht er dann nochmal schön, wen er alles gerettet hat. Hier hätte man den Film eigentlich enden lassen können. Aber Mel Gibson muss natürlich nochmal auf die verlogene Patriotendrüse drücken. Es folgt ein erneuter Angriff auf das Hochplateau „Hacksaw ridge“, die Amis laufen natürlich Sturm und ohne dass auch nur ein einziger Amerikaner fällt, werden die Japaner in zehntausenden umgesenst. Als Japaner dann auch noch eine weiße Flagge hissen (ein wenig Geschichtskunde hätte verraten, dass die Schlacht auf Okinawa deswegen so blutig war, weil die Japaner sich zum Verrecken nicht ergeben wollten und bis zur letzten Patrone weiter kämpften), nur um dann nochmal einen dümmlichen Überraschungsangriff mit Handgranaten zu machen, kickt Doss davon noch schnell zwei Stück weg, um andere zu retten, bis er schließlich verletzt wird. Und natürlich hat er so viel Respekt unter seinen Soldatenkollegen, dass sie nun alle nix anderes mehr machen, als ihn vom Schlachtfeld weg zu tragen. Der Gipfel des Ganzen ist, als einer sogar zurück zum Schlachtfeld läuft, nur um Doss geliebte Bibel zu bergen, die er bei der Explosion verloren hatte. Während Doss mit seiner Bibel sinnbildlich, bzw. Bildpoetisch in die Sonne gehoben wird, endet der Film dann mit dem bedeutungslosen Seppuko eines völlig unbekannten Japaners und Interwies mit dem echten Desmond Doss, seinem Bruder und seinem Kommandeur. Diese kleinen Interviews haben dabei mehr würde als die letzte Stunde Dauergeballer zusammen.

Abschließend kann man sagen, dass die Art und Weise, wie diese Geschichte erzählt wurde wirklich ein Jammer ist. Doss hatte bereits bei der Schlacht von Guam teil genommen und wurde wegen seinem Glauben im Vorfeld oft angefeindet. Weil er bei der Schlacht um Leyte und während der Rückeroberung der Philippinen viele verwundete versorgte, änderte sich das und er wurde bereits dort mit der Bronze Star Medal ausgezeichnet. Auch die Schlacht von Okinawa selbst lässt einige nette Details aus. Offiziell wird ihm nachgesagt, dass er 75 Leute gerettet haben soll. Sein Vorgesetzter gab allerdings an, dass er um die 100 gerettet haben soll, während er ganz bescheiden meinte, dass es vielleicht eher 50 waren. Also hatte man sich für den Bericht einfach in der Mitte geeinigt. Doss wurde auch gleich dreimal verwundet. Bei besagtem Granateneinschlag weigerte er sich, andere Sanitäter zur Hilfe zu holen, da diese seiner Meinung nach an anderen Orten dringender benötigt wurden. Als er einige Stunden später vom Schlachtfeld gerettet wurde, sprang er von der Trage und wies andere Sanitäter an, andere, schwerer verletzte Soldaten zu behandeln.

Und es wäre vielleicht auch fair gewesen zu erwähnen, dass er nur ein Jahr nach Kriegsende an Tuberkulose erkrankte, sich auch psychisch vom Krieg nie erholte, ihm ein Lungenflügel und mehrere Rippen entfernt werden musste und er 1976 sogar sein Gehör verlor. An der Stelle möchte ich persönlich noch anmerken, dass es ein wenig beleidigend ist, dass Doss in diesem Zustand nur zwei Jahre nachdem seine Frau 1991 einen tödlichen Autounfall hatte, wieder geheiratet hat! Und ich bin Single! Was geht ab? Wie auch immer, seiner zweiten Ehefrau Frances May Duman verdanken wir das Buch über sein Leben. „Desmond Doss: In God’s Care“. Und irgendwie wäre es schön gewesen, wenn dieses Buch einem Steven Spielberg in die Hände gefallen wäre statt Mel Gibson. So bleibt nur das Fazit, dass unheimlich viel Potential verschenkt wurde und alles, was am Ende blieb ein liebloser, bedeutungsloser Kriegsfilm übrig blieb, der in Vergessenheit geraten wird. Aber immerhin war er besser als z.B. american Sniper oder – und vor allem – als Moonlight. Und daher gibt es generöse 2 von 6 Oscars für „Hacksaw Ridge – Die Entscheidung.“ Hoffen wir, dass am Donnerstag dann Dunkirk die Ehre guter Kriegsfilme wieder herstellen kann. Ihr hört dann von mir. ^^

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