Was ist eigentlich dieses „American Football“? (Teil 1)

Es ist so weit. Seit dem Wochenende fliegt das „Ei“ wieder durch amerikanische Staaten. Die Saison der NFL, der sogenannten „National Football League“ hat begonnen, wenngleich die ersten vier Wochen noch die sogenannten Pre-Season-Games laufen, die im Grunde eher Freundschaftsspielcharakter haben. Nichtsdestotrotz ist es ein wunderbarer Moment, im Blog mit einem der geplanten Hauptthemen zu beginnen. So will ich nun die Sportart ein wenig vorstellen und versuchen zu erklären, warum Football in Zeiten von 220 Mio Euro-Transfers für einen Spieler eine gute Alternative zum Fußball sein könnte.

Dabei muss man direkt von Beginn an sagen: Auch in der NFL geht es sicher nicht perfekt zu. Auch hier treffen vor allem Marketinginteressen aufeinander und die Topspieler schließen hohe Millionendeals ab. Aber wenn eines Tages der Tag kommen sollte, wo man kleinen Kindern erklären müsste, wie man einen Transfer von 220 Mio. Euro für einen einfachen Sportler moralisch irgendwie rechtfertigen kann… dann hat man es bei den Footballern doch ein wenig einfacher. Natürlich, auch die dort gezahlten Summen stellen immer noch eine relativ eigenartige Relation zu denjenigen da, die diese Gehälter wirklich verdient hätten. Aber im Football gibt es zumindest Regularien, die die Gehälter der Spieler deckeln. Die sogenannte Salary Cap. Demnach darf jeder Verein eine bestimmte Maximalsumme (Aktuell ca. 160 Mio Dollar) für Spielergehälter ausgeben. Da das Mindes-Jahresgehalt für einen Footballer 450.000 Dollar beträgt und so ein Team immerhin 53 Personen groß ist, würde man sich in der NFL also sehr gut überlegen, ob man so einen Deal wie PSG es mit Neymar gemacht hat wirklich abschließen würde. Denn je mehr man einem Spieler gibt, umso schlechter werden die restlichen Spieler. Und mit nur einem guten Spieler gewinnt man in der NFL dann doch sehr wenig.

Ein weiterer positiver Effekt der Salary Cap – alle Clubs sind gleich reich. Die Teams der NFL sind Franchise Unternehmen. Sie sind also Firmen im Besitz großer Konzerne, die alle wenig Probleme haben, das Geld für solch einen Salary cap aufzubringen. Das mag für den Europäer etwas ungewohnt erscheinen. Aber im Grunde ist es nur eine scheinheilige Bezeichnung eines Vereins weniger. In Europa kennt man so etwas wie Fußball als „Vereinssport“, was auf den ersten Blick natürlich eine gewisse Tradition, Unabhängigkeit und Eigenständigkeit vermittelt. Inzwischen sind diesse Vereine aber durch große Konzerne wie VW, Mercedes, Audi, E-on, einigen Öl-Multis aus Qatar oder Russland, SAP oder Red Bull gesponsert und haben entsprechend längst Konzernstrukturen angenommen, sind als GMBH oder AG entsprechend aus ihrem Verein ausgegliedert worden, behalten aber den Namen, um davon abzulenken, dass sie inzwischen auch solch ein Franchiseunternehmen sind.

Gerade in der Fußball-Championsleague ist der Sport als solches eigentlich nur noch zu einem Schwanzvergleich der Wirtschaftsunternehmen verkommen, bei dem es letztendlich nur noch darum geht, wer am besten Geld verdienen kann – um damit eben die besten Spieler zu kaufen. Wirklich fair geht es dort längst nicht mehr zu, denn für 220 Mio wechselt selbst der treueste Spieler noch zum Erzrivalen. Es wundert daher nicht, dass in den letzten 10 Jahren gerade mal 30 unterschiedliche Vereine in die Runde der besten 8 Vereine eingezogen sind. Und auch keine neuen dazu kommen werden. Dieser jahrelangen gähnenden Langeweile hat die NFL ebenso einen Riegel vorgeschoben. Den Draft.

Dazu will ich auch hier etwas weiter ausholen. Die NFL besteht eigentlich aus zwei Organisationen, der National Football Conference (NFC) und der American Football Conference (AFC). In ihrem Tun und Werken gibt es eigentlich keine Unterschiede, beide haben die gleiche Menge an Franchises unter sich und haben diese 16 Vereine noch einmal in vier Gruppen zu je vier Mannschaften aufgeteilt. Und auch die Ligenbezeichnung East, North, West und South hat irgendwie nicht wirklich etwas mit den Himmelsrichtungen zu tun, so tummelt sich in der AFC East zum Beispiel ein Team aus Miami mit Teams aus New York und Boston herum, während das ebenfalls in Florida beheimate Team der Jacksonville Jaguars nördlich von Miami liegt, aber in der AFC South beheimatet ist. Wie auch immer, wer am Ende der regulären Saison in einer dieser Divisions die meisten Siege eingespielt hat, zieht in die Playoffs ein. Weiterhin die zwei Teams mit den meisten Siegen. Es kann also durchaus passieren, dass man in die Playoffs einzieht, obwohl man viel häufiger verloren hat als andere – weil aber innerhalb der Division niemand öfter gewonnen hat, kommt man dennoch in die Runde der besten 12, wo dann im KO-System weiter gespielt wird, bis die besten beiden irgendwann den „Superbowl“ austragen, die ganz große Meisterschaft.

Diejenigen, die die Playoffs verpassen, erhalten allerdings auch ein kleines Bonbon. Zunächst: Es gibt keinen Abstieg. Es gibt in den USA kein richtiges Ligensystem wie man es in Europa kennt. Einfach weil es keine Vereine gibt. Neben unwichtigen Amateurmannschaften gibt es den sogenannten College-Football. Oder anders gesagt, das Universitäts-Fach „American Football“ erfreut sich in den USA durchaus großer Beliebtheit und wer mit der Uni fertig ist, kann sich danach eben in der NFL einen Job suchen. Dafür wurde in der NFL der Draft eingerichtet. Es ist im Grunde eine riesige Job-Börse, in der die 32 Vereine sich bis zu 7 Talente heraus suchen dürfen, um ihnen einen Vertrag für die folgende Saison zu geben. Und auch die Reihenfolge ist geklärt. Wer in der abgelaufenen Saison die wenigsten Siege eingefahren hat, darf zuerst sein Talent aussuchen. Der Sieger des Superbowls ist als letzter dran.

Tatsächlich ist der im April statt findende Draft eine äußerst unterhaltsame Sache, da die Vereine auch ihre Positionen in der Draft-Reihenfolge handeln dürfen. So sind Deals in die Richtung „Ich bekomme deinen erst-Runden-Pick, dafür bekommst du von mir in diesem und im nächsten Jahr meinen zweit-Rundenpick“ keine Seltenheit. Auch wissen die Vereine ja nicht, wen die Konkurrenz verpflichtet. Und wenn ein Club einem anderen den Wunschspieler vor der Nase weg schnappt, kann das schon zu sehr hektischen Reaktionen führen.

Am Ende aber ist es schon so, dass die schlechtesten Teams natürlich die besten College-Spieler bekommen können. Und damit den Grundstein dafür legen, in der besten Saison besser zu werden. Und nicht ganz ohne Grund war bisher seit 2005 kein Team mehr in der Lage, zweimal in Folge den Superbowl zu gewinnen. Ebenso hat nur ein Team seit 2005 überhaupt den Superbowl zweimal gewinnen können. (Die Pittsburgh Steelers. Denn der Superbowl 51 hat nie existiert, falls Fans der Neu England Patrioten sich über eine ungewohnt schlechte Recherche echauffieren wollen). Denn wer einmal die Trophäe – die Vince Lombardi-Trophy – in die Höhe halten durfte und danach seinen Diamantenbesetzen Superbowl-Ring küssen durfte, erhöht damit auch in der Regel seinen Marktwert auf solch drastische Weise, dass man als Champion normalerweise danach ein paar Spieler abgeben muss, um noch in der Salary Cap bleiben zu können.

So bleibt jede Saison aufs neue spannend. Im letzten Jahr zum Beispiel haben die Cleveland Browns eine fürchterliche Saison gespielt und nur mit glück eins von 17 Spielen gewinnen können. Ihr Verhandlungsgeschickt beim Draft dürfte aber den Effekt zeigen, dass die nächste Saison sicher wieder besser wird. (Champion werden sie nicht, denn es sind die Browns und wie dort der Volksmund so schön sagt – Gott hasst Cleveland). Eine ähnliche Strategie dürften dieses Jahr die New York Jets fahren, denn Experten sind sich ziemlich sicher, dass die Jets so miserabel sind, dass sie mühelos noch mehr Spiele verlieren könnten als die Browns dieses Jahr. Da jedoch vermutlich im Draft nächstes Jahr einige Weltklasse-Spieler erwartet werden, scheint dieses „Sabatjahr“ bei Besitzer Woody Johnson IV. (Gründer des Pharmaherstellers Johnson & Johnson und unter Präsident Donald Trump Botschafter in London) keinerlei Bauchgrimmen zu verursachen.

Und auch die Jets-Fans werden deswegen wohl nur dezent auf die Barrikaden gehen. Es gibt im Football keine Ultrabewegungen oder Hooligans. Wohl auch, weil die Stadionpreise so teuer sind. Für ein einzelnes Spiel in einem Stadion eines NFL-Teams zahlt man für einen schlechten Platz in der Regel zwischen 150 und 200 Dollar. (Das macht übrigens auch die Popularität von College-Football aus. Dort kostet ein Stadionplatz „normale“ 30 Dollar) Es gibt zwar auch Fangruppen, die durchaus gefürchtet sind – zum Beispiel die Fans der Oakland Raiders für ihren sehr unhöflichen Umgang mit gegnerischen Mannschaften oder die der Philadelphia Eagles, die große Freude darin nehmen, vor allem das eigene Team bei jedem falschen Pass gnadenlos auszupfeifen. Aber die Vereinsverbundenheit, die man aus Europa kennt, gibt es dort in dem Maße nicht. Was auch immer wieder dazu führt, dass die Vereinsbosse nicht mit der Wimper zucken, wenn es darum geht, einen Club in eine andere Stadt umzuziehen. So jüngst geschehen mit den St. Louis Rams, die nun wieder die L.A. Rams sind, den San Diego Chargers, die nun ebenfalls die Los Angeles Chargers sind vor kurzem eben jenen Oakland Raiders, die trotz dieser gefürchteten Anhängerchar bald die Las Vegas Raiders sein werden. Und auch bei den Jacksonville Jaguars halten sich die Gerüchte, dass sie eines Tages die „London Jaguars“ sein werden. Schon seit Jahren tragen die Jaguars ein Spiel in der britischen Hauptstadt aus, bald soll ein NFL-Spiel sogar in Deutschland statt finden und die Partie der Patriots gegen die Kansas City Chiefs dieses Jahr wird man sich in Mexico City ansehen dürfen. Vorboten zukünftiger potentieller NFL-Teams, die dann einfach andere, schwächer besuchte ersetzen. Was eben Geld einbringt…

Dieser Umzugswille ist für Europäer sicher noch sehr ungewohnt und quasi undenkbar. In England ist einst der traditionsreiche FC Wimbledon umgezogen und in Milton Keys, einer Art Trabantensiedlung umgezogen. Die Fans in Wimbledon gründeten daraufhin den AFC Wimbledon einfach neu und spielen inzwischen in der gleichen Liga, haben darüber ihren neuen Erzrivalen natürlich gleich gefunden. Seitdem ist der Umzug einer Mannschaft in eine andere Stadt undenkbar. In der NFL hingegen gang und gebe. Doch die Stars dort sind eben die Spieler und die Sportart, nicht der Verein.

Und eben jenes Spiel ist es auch, dass den Football als Sportart letztendlich so interessant macht. Man weiß in der Regel nicht, wer vorher gewinnt. Natürlich, es gibt so Vereine wie die Patriots, die Seahawks, die Green Bay Packers oder Rekordmeister Pittsburgh Steelers, die einfach eine solch gute Scouting-Abteilung und ein solch gutes Trainerteam haben, dass sie am Ende irgendwie immer oben dabei sind. Oder die Spieler mit einer solchen Qualität langfristig an den Verein binden konnten, dass sie damit alle anderen mitziehen können. Aber es besteht immer die Chance, dass der Underdog mal gewinnt. Es gibt sie, die Sensationen. Sie sind nicht planbar, aber häufig. (Dahin lohnt es, sich mal in den Lebensweg eines gewissen Kurt Warner einzulesen).

Zudem kommt, dass auch die Spielphysik spannende Spiele garantiert. Auf die Regeln des American Football werde ich im nächsten Blogartikel näher eingehen, aber so viel sei gesagt, in der Regel bleibt es spannend bis zum Schluß. Hätte es einen Superbowl 51 gegeben, wäre er zum Beispiel eine perfekte Vorlage dafür gewesen, wie ein hoch gewonnen geglaubtes Spiel sich binnen 10 Minuten in ein totales Fiasko verwandeln kann.

Und da man diese Spannung auch irgendwie übertragen muss, sei an dieser Stelle auch das deutsche Kommentatorenteam erwähnt, dass dahingehend einen überragenden Job macht. Die NFL kann man im deutschen Fernsehen kostenfrei empfangen. Jeden Sonntag werden zwei bis manchmal drei Spiele übertragen, in der Regel ab 19 Uhr auf „Pro 7 Maxx“. Und die moderatoren dort gehen völlig aus sich heraus, brüllen teilweise vor Aufregung. Ex NFL-Trainer „Coach“ Ensume moderierte dort bis letzte Saison immer mit dem erfahrenen Sportredakteur Frank Buschmann. Buschmann wird nun ersetzt, aber ebenfalls zum Moderatorenteam gehören Ex-Quaterback Jan Stecker und Statistik-Guru Roman Motzkus, die als Team großartig harmonieren. Vermutlich wird der Neuling im Team – Florian „Schmiso“ Schmidt-Sommerfeld nun Buschmann ersetzen, es fand allerdings bei „Ran“ auch ein Casting statt, wo sich Fans als neuer Moderator bewerben konnten. Wer weiß, was da kommt.

Und natürlich keine Sendung ohne „Icke“. Er ist der Social Media Experte und auch gleichzeitig das Maskottchen der Show. Während die Kommentatoren große Freude darin haben, Icke aufzuziehen, bereichert er die Show mit Statistiken, Memes, Photos und Photoshops von der Ran-Community. Das gibt der Show einen sehr frischen und modernen Touch und lässt sie entsprechend angenehm über Stunden betrachten. Diese unbeschwerte Art der Sportübertragung stellt gleichzeitig den Sport des American Footballs über alles. Es ist eine Show von Fans für Fans. Und daher kann ich jedem auch nur empfehlen, am Sonntag, dem 27. August ab 18:30 Uhr mal NFL Ran einzuschalten. Es findet die dritte Pre-Season-Woche statt, ist also ideal zum rein schnuppern. Zunächst treffen die Chicago Bears mit dem zweit-Pick im Draft, Quaterback Mitch Trubisky auf die Tennesee Titans rund um Running Back Star DeMarco Murray. Danach gibt’s ein kleines Derby, wenn die Dirty Players der Cincinatty Bengals (es wird schwer werden, ein unfairerer Spieler zu werden als Vontaze Burfict) auf den Hauptstadtclub der Washington Redskins mit ihrem Abwehrstrategen Josh Norman treffen. Es werden voraussichtlich 6 bis 7 Stunden gute Unterhaltung. Und wer hat Sonntags im Herbst schon besseres zu tun als Fernsehn zu gucken. 😉

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