Den Sternen so nah (Teil 1)

Es sind derzeit tolle Zeiten für Science-Fictionfans. Denn frisch angelaufen sind gleich zwei TV Serien, welche vor allem die Herzen vor alter Star Trek Freunde höher schlagen lassen sollen. Und das obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Rede ist zum einen natürlich von der Netflix-Serie Star Trek Discovery, zum anderen von der Fox Comedy „The Orville“. Und obwohl beide Serien im Grunde ganz unterschiedliche Genres bedienen, stellt sich die Frage „was ist besser?“ Der Frage will ich nachgehen und zunächst mit Star Trek Discovery anfangen – nach dieser kurzen kleinen Spoilerwarnung.

Vorab, natürlich sollte man mit aller Euphorie vorsichtig sein, da bei Star Trek Discovery (STD) erst fünf Folgen erscheinen sind, gleichermaßen bei Orville erst sechs. Serien wie Battlestar Galaktika oder How i met your mother haben gezeigt, wie man innerhalb weniger Folgen (oder im Falle von HIMYM in einer letzten Szene einer letzten Folge) eine ganze Serie ruinieren kann. Doch beide Neulinge waren bisher meiner Meinung nach überragend. Betrachtet man die Erwartungen, die das bekanntermaßen überkritische Sci-Fi-Publikum in diese Serien setzt kein selbstverständliches Urteil. Auf die Frage, was man gucken sollte, würde ich aktuell ein klares „beides“ antworten. Und wenn jemand nur für eine neue Serie Zeit hätte, würde ich erst einmal lange grübeln. Tatsächlich, wann immer ich mich bei diesem Urteil zu einer Seite habe hinschlagen lassen, zog die andere Serie mit einer entsprechend überragenden Folge nach. Das macht ein finales Urteil wirklich nicht einfach.

In den USA erscheint The Orville Freitags, STD an Montagen, während es Orville noch nicht mit deutscher Synchro gibt, ist dafür Dienstag der neue Startrek-Tag auf Netflix. Die aktuell noch fehlende Synchronisierung mag manch einem daher da die Entscheidung, was man gucken will bereits nehmen. Er nimmt allerdings in Kauf, dass man soweit ich das beobachtet habe in Deutschland es nicht für nötig empfunden hat, Klingonisch mit Untertiteln zu versehen. 🙂 Ganz ohne Fremdsprache geht es also auch hier noch nicht.

Und bei den Klingonen sind wir auch schon bei einem großen Thema beider Serien angekommen. Den Erwartungen. Wie gesagt, nach meinem Empfinden sind gerade die Alt-Trekkies sehr sehr kritisch, was „ihr Franchise“ betrifft. Sie reagieren nicht sehr gut auf Veränderung, sie lieben ihren strikten Kanon. In gewisser Hinsicht sind sie Perfektionisten. Woher ich das weiß? Weil ich selbst bei dem Thema so einer bin. Für mich waren solche Dinge wie Bully Herbigs „Traumschiff Surprise“ oder die Internetserie „Sinnlos im Weltraum“ vor allem eins. Majestätsbeleidigung. Und spätestens, als sie beim Reboot der Star Trek Filme den Planeten Vulkan in die Luft sprengten, merkte ich an den Reaktionen anderer… damit bin ich nicht alleine.

Gerade die Rebootfilme entwickelten sich wirklich weit von dem Star Trek weg, das man über 50 Jahre lieben gelernt hatte. Früher zitierten ihre Bösewichte Shakespeare oder ließen Kirk den Namen „Khaaaaan“ durch die Nebel von Mutara brüllen. Piccard vermittelte sogar im Kampf gegen die Borg noch Werte. Doch seit dem Reboot sind Kirk und Kollegen zu Gag schleudernden Actionhelden mutiert, so eine Art Avengers in Space. Die Bösewichter sind eindimensional, dämlich und unmotiviert, es geht nicht mehr um Werte des Zusammenlebens, es geht nicht mehr um technische Visionen. Es geht darum, wie man die Eier von James T. Kirk noch dicker machen kann. Nicht falsch verstehen, die neuen Star Trek Filme sind immer noch gut gemacht, sie sind schöne Unterhaltung. Sie sind eben nur eins nicht. Star Trek. Und darin begründet liegt dann wohl auch die Angst der Trekkies, was STD betrifft. Dass eben jene Serie an dieses „neue“ Star Trek anknüpft und es nur noch um die Action geht.

Und vor allem der Anfang von STD war für die Trekkies dann sicher erst einmal ein Schuss vor den Bug. Denn die neue Serie ist etwas, was Star Trek früher nicht war. Düster. Und auch von Beginn an durchaus actionorientierter. Zudem fehlte ein weiterer Aspekt, den man bisher gewohnt war. STD erzählt seine Geschichte zu Beginn nicht an Bord einer Brücke, bei der die Zusammenarbeit einer Crew die Geschichte zum Guten führt. Sie erzählt die Geschichte aus der Personenperspektive.

Genauer des ersten Offiziers der USS Shenzhou, Michael Burnham, gespielt von Sonequa Martin-Green. Sie ist eine ambitionierte Menschenfrau, auf Vulkan aufgewachsen, gar eine halbschwester von Spock, wie es angedeutet wird. Und dennoch nicht frei von Emotionen. Schnell zeigt sich, dass sie ihr persönliches Empfinden für richtig und falsch über die Befehlskette stellt, was letztendlich dazu führt, dass sie meutert, einen Krieg mit den Klingonen mit verursacht, ihr Schiff Schrottreif geschossen wird und ihre Vorgesetzte und Mentorin, Captain Georgiou (gespielt von Michelle Yeoh, wohlbekannt z.B. aus Tiger and Dragon) auch noch zu Tode kommt.

Erst in Folge 3, wo die reuige verurteilte Meuterin zu lebenslanger Strafarbeit bei Andorianern verurteilt auf dem Weg in die Unbedeutsamkeit ist, gelangt sie auf eben jene Seriennamentragende USS Discovery. Der scheinbar skrupel- und prinzipienlose Captian Gabriel Lorca (gespielt von Jason Isaacs) fädelt dabei einen geheimen Gefangenentransport ein, um sie in eine Arbeitsgruppe um einen experimentellen Sporenantrieb zu stecken. Wo der Alt-Trekkie nun bereits die Hände über dem Kopf zusammen schlägt und hadert, dass das doch wirklich nichts mehr mit den Idealen oder dem Kanon von Star Trek zu tun haben kann, dämmert es aber auch langsam, dass dieses Gefühl von „hier ist doch was faul“ völlig bewusst gepflanzt wird.

Ja. Auf der USS Discovery (NCC 1031) läuft irgendwas schief. Es gibt schwarzen Alarm, Soldaten mit schwarzen Föderationsabzeichen und irgendwie will nichts so richtig einladend erscheinen. Und auch die Crew will so gar nicht in das bisher so blütenweiße Bild der Sternenoffiziere passen. Captain Lorca z.B der sich auf Grund einer Augenverletzung stets im Halbdunkel aufhält, verteilt am Anfang noch Glückskekse, während er sich einen Tribble als Haustier hält, offenbart sich bald schon als Mann, der in seinem Ziel, den Krieg gegen die Klingonen zu gewinnen vor keiner Moral zurückschreckt. Der Zweck heiligt die Mittel. Deswegen nimmt er auch ein fremdartiges Monster an Bord auf, obwohl dieses sich bereits durch ein Schwesterschiff gefressen hatte und die eigenen Männer angriff und fraß. Es könnte ja eine Waffe sein. In seinem persönlichen Quartier sieht man in einer Glasvitrine das Skelett eines Gorns stehen, dazu einige Wesen, die man gut und gerne auch als Alien-Facehugger identifizieren könnte. Auch Recht und Gesetz oder moralische Prinzipien seiner Crew sind ihm egal, alles muss sich dem Kampf gegen die Klingonen unterordnen. So eine Einstellung unter Piccard undenkbar.

Und auch die restliche Crew hat gehörige Macken. Der erste Offizier, Commander Saru (Doug Jones) ist Kelpianer und diente schon auf der Shenzhou und ist das krasse Gegenstück zur risikobereiten Burnham. Kelpianer sind eine Rasse, die aus Jägern und Beute bestehen. Er gehörte zur Rasse der Beute und hat dafür nicht nur ein Gespür für den bald nahenden Tod, sondern auch eine erlernte Expertise, diese zu verhindern. Seine ganze Lebensart basiert darauf, bloß keine Risiken einzugehen und Gefahren zu umgehen, bevor diese überhaupt passieren. Wenngleich er tiefen Respekt für Burnham empfindet, rasseln die beiden Ansichten immer wieder aneinander und immer wieder untergräbt Burnham seine Autorität. Wissenschaftsoffizier Paul Stamets (Anthony Rapp) ist derjenige, der den Sporenantrieb entdeckt hat, von seiner Genialität derweil so überzeugt, dass er fast unerträglich eitel ist. Und dann ist da noch die herrlich unsichere und nervige Sylvia Tilly (Mary Wiseman), die gerne mal Kapitänin werden würde, aber gerade zu manisch versucht allen zu gefallen und zudem wild plappert, sobald sie nervös wird, was soziale Kontakte und das gerne entstehende Schweigen mit beinhaltet. Zudem schnarcht die Zimmergenossin von Michael Burnham.

Vermutlich wird man noch nicht mal alle relevanten Crewmitglieder kennen gelernt haben. So wird z.B. Shazad Latif von Beginn an im Starterjingle erwähnt, erscheint aber in seiner Rolle als Lt. Ash Tyler erst in Folge 5 das erste Mal, dort auch nur als Gefangener auf einem Klingonenschiff. Man darf also gespannt sein, welche Rolle er in dieser Serie noch spielen wird. Bisher haben aber alle eine gehörige Charaktertiefe erhalten, die sich jederzeit weiter entwickeln kann. Das schließt nicht einmal die Klingonen aus. Es scheint fast, als würde es hier einen ganz eigenen Handlungsstrang rund um den Sektenführer Voq und der umtriebigen L’Rell geben, die beim Versuch, das klingonische Reich zu einen sich ganz eigener Intrigen erwehren muss. Star Trek Discovery scheint zudem eine wirkliche Geschichte zu erzählen. Denn an immer mehr Stellen wird auch klar, dass sich Star Trek Discovery sehr wohl an den kompletten Kanon hält und eben exakt in dieser Welt auch spielt. Es gibt dutzende von Anspielungen und Easter Eggs. Immer mehr erweckt die Serie den Eindruck, als ginge es in der Geschichte auch darum zu erfahren, warum dieser experimentelle Antrieb eben nie salonfähig wurde. Mehr noch deutet vieles darauf hin, dass es hier um die Gründung der sogenannten Sektion 31 gehen könnte, einer Geheimsektion der Föderation, die schon zu Zeiten von Deep Space Nine nur dazu da war, im geheimen das zu tun, was man offiziell auf Grund der obersten Direktive nicht hätte machen dürfen. Auch das Spiegeluniversum aus TNG hat eine erste Andeutung erlebt. Und den Namen „Mudd“ sollte man sich nach der Schauspielerischen Leistung vielleicht auch mal wieder merken.

So vermittelt STD von Folge zu Folge mehr den Eindruck, dass hier die Kacke am Dampfen ist. Es ist eine Geschichte um Schuld und Sühne, es geht um richtig und falsch zu welchem Preis und spricht damit äußerst moderne Themen an. Und es hat wie schon früher scheinbar das Ziel, den Finger auf Themen der Zeit zu legen. So gibt es das erste schwule Paar an Bord eines Schiffes oder sie nennen Leute wie Elon Musk als Pioniere und Visionäre, die über die Zeit hinaus wichtig waren. Star Trek Discovery hat einen sehr modernen Anstrich bekommen. Einen Anstrich, der deutlich anspruchsvoller ist als Kirks neuerliche Filmabenteuer. Aber so müssen Serien der Zeit auch sein. Auch wenn es den Alt-Trekkies vielleicht nicht gefallen wird, aber mit dem 90er-Jahre Modell einer Serie kann auch Star Trek heutzutage nicht mehr gewinnen. Daran scheiterte letztendlich auch eine Serie wie Star Trek TOS. Discovery hingegen entwickelt sich äußerst positiv und spannend und lässt sein riesiges Potential erkennen. So macht Science Fiction auf jeden Fall Spaß.

– to be continued –

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