Den Sternen so nah (Teil 2)

Damit sind wir urplötzlich bei „The Orville“ angekommen. Hier hat man dieses klassische Sci-Fi Modell einer Crew, die im Weltraum ihre Abenteuer erlebt. So wie der Alt-Trekkie es kennt. Und das Ganze als Komödie. Und auch hier kommen Erwartungen ins Spiel. Wenn auch in eine ganz andere Richtung. Denn The Orville ist von Seth MacFarlane. Er ist der Regisseur, es ist seine Idee und er spielt die Hauptrolle. MacFarlane ist durch Serien wie Family Guy oder American Dad bekannt oder Filme wie „Ted“ Die Machart dieser Filme hängen wie ein Damoklesschwert über The Orville, denn irgendwie erwartet man ständig irgendwelche infantilen Peniswitze als wichtiges Plotelement. Doch MacFarlane tut einem diesen Gefallen bisher nicht und das macht the Orville zu einer erstaunlich positiven Überraschung.

Genau genommen ist diese Erwartungshaltung sogar paradox. Obwohl es zum selben Genre gehört, erwartet man bei STD Perfektion, von Orville im Grunde überhaupt nichts. Was es zugegeben für die Crew um Captain Ed Mercer etwas einfacher macht. Dabei sollte man MacFarlane bezüglich dieses Themas ganz und gar nicht unterschätzen. Der einstige Lebensgefährte von Daenerys Targaryendarstellerin Emilia Clark ist bekennender Trekkie und hat bei der Serie Star Trek TOS mehrfach mitgewirkt. Und vermutlich hat MacFarlane auch deswegen genau diese Denkweise, die im vorherigen Blog schon mal erwähnt wurde. Bloß keine Majestätsbeleidigung. Seine Herangehensweise erinnert dabei ein wenig an den Film Galaxy Quest. Die Darstellung der Charaktere mag Lustig sein, mit viel Situationskomik, doch im Kern geht es immer um die Science Fiction. Und vor allem um die moralische Botschaft. The Orville packt tatsächlich schwere Themen der Zeit an und gibt ihr eine Lösung, die der Star-Trek-ideologie würdig ist. Doch genau so werden zwischenmenschliche Probleme so ernsthaft dargestellt, dass die Herangehensweise zur Problemlösung durchaus als ernsthaftes Vorbild dienen kann. Die darum liegenden Gags sind nie mehr als nur Füllwerk, dazu da, das bereits bestehende Gemälde auszufüllen. Doch auf der anderen Seite scheint er geradezu fürsorglich dafür zu sorgen, dass die Show im Kern ernsthaft bleibt.

Bestes Beispiel ist da wohl eine Geschichte rund um den zweiten Offizier Bortus (Peter Macon). Er gehört der Rasse der Moclaner an, eine Rasse, die nur aus Männern besteht. Sie pflanzen sich entsprechend auch nur sehr selten fort und in einer Folge fehlt er dann, weil er zusammen mit seinem Lebensgefährten drei Wochen lang ein Ei ausbrüten muss. Was bei so einer grimmigen, Humorlosen Rasse wie den Moclanern schon unfreiwillig komisch ist, entwickelt sich nur eine Folge später zum episodenfüllenden Schocker. Denn das ausschlüpfende Kind stellt sich als Weiblich heraus. So erfährt man, dass das gelegentlich mal vorkommen kann, aber damit „behoben“ wird, dass man das Kind einfach mit einer operativen Geschlechtsumwandlung „heilt“. Unter Menschen undenkbar. Und urplötzlich entwickelt sich ein bedrohlicher Akt zwischen Selbstentfaltung, sozialer Ausgrenzung und dem Mut zum Anders sein. Genau so stellen sie sich aber Situationen, in denen es z.B. darum geht, im Krieg gegen die bösen Krill sogar noch im Umgang mit deren Volk „Menschlich“ zu bleiben. Als Spione auf einem feindlichen Raumschiff entdecken sie an Bord eine Superwaffe und erfahren, dass diese gegen eine menschliche Kolonie mit hunderttausenden von Siedlern eingesetzt werden soll. Doch das Schiff einfach in die Luft sprengen wollen sie auch nicht, da ebenso Krill-Kinder an Bord sind. Und sie diesen Zeigen wollen, dass Menschen keine barbarische Rasse sind. Mit der Show wächst auch mit der Erkenntnis, dass man manchmal nicht wirklich gewinnen kann, selbst wenn man letztendlich moralisch einwandfrei agiert hat. Eine Folge, die auf ihre Weise übrigens auch das exakte Gegenteil von Star Trek Discovery darstellt. Und wenn man sich noch einmal ins Gedächtnis ruft, dass es hier immernoch um eine Klamauk-Serie geht, darf dieser absolut unerwartete feste Bestandteil an Ernsthaftigkeit ruhig noch mehr positiv herausgestellt werden.

Sechs Folgen sind bei The Orville bisher erschienen und noch in jeder Folge wurde ganz im Stile von Star Trek ein entsprechend streitbares und hochmoralisches Thema gefunden. Und sie wissen einen wirklich zu packen und zu fesseln. Ebenso die privaten Probleme der Crewleute, die dadurch alle durchaus eine gewisse Charaktertiefe erhalten. So hat Captain Ed Mercer (Seth MacFarlane) seine eigene Exfrau Kelly Grayson (Adrianne Palicki) als erste Offizierin zugeteilt bekommen und man merkt, dass beide das geschehene nie richtig verarbeiten konnten. Auch bei der Sicherheitsoffizierin Alara Kitan (Halston Sage) scheint das Thema „Außenseiter“ durchaus eine Rolle zu spielen. Als Xelayanerin ist sie 10mal stärker als alle anderen an Bord. Doch sie hat sichtbar Probleme damit, dass sie deswegen von anderen als Freak abgestempelt werden könnte. Ständig spricht sie davon, wie sie mit einem Crewmitglied Schluss machen musste und einmal, als sie die Führung auf der Brücke übernehmen musste, verkrampft sie völlig aus Angst, sie könnte etwas tun, was anderen nicht gefällt. Und auch Bortus Geschichte ist noch nicht zuende erzählt, da die Diskussion um das Geschlecht des Kindes auch narben in der Beziehung mit seinem Lebensgefährten hinterlassen hat. Moclaner sind eh schon gesprächskarg, aber die beiden haben sich derzeit nur noch sehr wenig zu sagen.

Nebenbei gibt es weitere Personen, die in den nächsten Folgen eine ähnliche Entwicklung nehmen könnten. Der Kaylon Isaac (Mark Jackson) ist so eine Art „Data“, ein Roboterwesen, dem Emotionen eben noch gänzlich fremd sind und der entsprechend versucht, Verhaltensweisen zu begreifen. Bei seinen Versuchen, diese zu lernen geht er aber deutlich rabiater mit seinem Umfeld um. Und witziger. Als er zum Erlernen der Bedeutung eines derben Witzes vom Navigator Gordon Malloy (Scott Grimes) Ohren, Nase, Brille und Schnurrbart angeklebt bekommt und damit nichts merkend auf der Brücke erscheint, erhält er danach die Erlaubnis, es Malloy heimzahlen zu dürfen, weil sich das ebenso gehöre. Isaac amputierte darauf Malloy im Schlaf ein Bein. Dank der medizinischen Entwicklung auch nichts schlimmes, aber die Reaktion Malloys war zum Schreien komisch. Wobei am Ende sogar er erkennen muss, dass es vom neutralen Standpunkt aus wirklich witzig war.

Sowieso ist auch der Humor der Serie durchaus gelungen. Die beiden Navigatoren Malloy und John LaMarr (J. Lee) harmonieren als „Bros“ am Steuerknüppel äußerst gut und vermitteln auch ein Gefühl davon, wie wohl der Alltag auf einer Brücke eines Forschungsschiffes sein könnte, einer Organisation, die scheinbar deutlich weniger militärisch geprägt zu sein scheint als bei Star Trek. Da wird auf der Brücke dann auch mal der Milchshake ausgepackt oder eben getratscht. Auch immer wieder witzig ist es rund um die resolute, von Höhenangst geplagte Doctor Claire Finn (Penny Johnson Jerald). Dort ist z.B. ständig ein formloses Blob-Wesen zu Gast, dass gerne mal Crewmitglieder angräbt, depressive Symptome zeigt oder den Hypochonder gibt. Durchgehend wirken kleinere Details bei the Orville einfach spaßig und unbeschwert. Ganz auf schlüpfrige Anspielungen kann Seth MacFarlane, (der übrigens fast in einer der Unglücksmaschinen zum 11. September gesessen hätte, hätte er den Flug nicht wegen eines schlimmen Katers vom Vortag abgesagt) natürlich nicht verzichten, aber sie stören nicht großartig, sondern verpassen The Orville einen eher modernen, jugendlichen Charme.

Wenn „The Orville“ dieser Herangehensweise treu bleibt, könnte der Serie tatsächlich eine große Zukunft bevorstehen. Allerdings ist es eine Serie auf FOX. Und seit Firefly wissen wir, wie schnell Fox eine gute Serie auch mal absetzt. Auf der anderen Seite sollten allein die Stargäste, die immer wieder in der Show auftauchen Hoffnung geben. So zeigte sich unter anderem Liam Neeson als Koloniegründer und Charlize Theron durfte sogar eine ganze Folge durch eine äußerst zweifelhafte aber bedeutsame Minenarbeiterin geben.

Und damit sind wir letztendlich wieder bei der Frage – was ist denn jetzt besser? Star Trek Discovery oder The Orville? Es ist wirklich kaum zu sagen. Nicht nur, weil beide ebenso gänzlich unterschiedlich sind. Sondern weil beide auch so gut sind und es verdient hätten, von so vielen Menschen wie möglich verfolgt zu werden. Würde ich mich entscheiden müssen… ginge der Ausschlag aber wohl tatsächlich an The Orville. Einfach weil die Erwartungshaltung es so viel einfacher macht, the Orville zu verfolgen. Man erwartet nichts und geht am ende mit einem „Wow, war das gut raus.“. Aktuell geht man zwar auch bei Discovery noch mit dem gleichen Gefühl raus, aber von den beiden Damoklesschwertern über den jeweiligen Serien hängt das von STD halt noch etwas tiefer. Von Star Trek Serien ist man es gewohnt, über 7 Staffeln zu gehen. Und ich weiß noch nicht, ob es möglich ist, dieses Gefühl von „hier stimmt was nicht“ wirklich über 168 Folgen zu ziehen. Zumindest nicht, wenn sie ihren Stil mit der zusammenhängenden Geschichte weiter durchziehen. Orville-Folgen sind loser in ihrem Zusammenhang und auf Dauer daher vermutlich einfacher am Leben zu halten. UNd schon jetzt habe ich mehr Vertrauen darin, dass MacFarlane seinem Stil treu bleibt, denn dass bei Star Trek die Story so gut bleibt.

Aber vielleicht irre ich mich ja auch. (Den Etat dafür hat STD. Von den Bildern her gewinnt Star Trek um längen! Trotz neuer, merkwürdiger Klingonen.) Lasst mich diese Frage daher mal in 7 Jahren noch einmal beantworten. Bis dahin greife ich auf jeden Fall noch nach ein paar Sterne und fremden Kulturen. Wie früher als Kind, wenn the next Generation im Fernsehen lief. Träumen kann ja so schön sein.

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