Die Leser dieses Blogs können sich freuen – in den nächsten Wochen gibt es wieder ordentlich Kino-Rezensionen. Denn die Academy of Motion Pictures Arts and Sciences (Ampas) hat nun die neun Filme verkündet, die dieses Jahr um die Kategorie “Best Picture” balzen auf ihrer Jagd nach dem ach so begehrten Oscar. Und natürlich werden Oliver und ich wieder alle neun Filme über die Leinwand flimmern lassen. So wie gestern, als es um die Geschichte Winston Churchills in der Operation Dynamo ging und wir so auf der Checkliste einen Haken hinter „“Die dunkelste Stunde“ machen konnten.
Vorab, für diese Saison ist es bereits der zweite Film aus der Best Picture-Kategorie, den wir uns angesehen haben. Irgendwie witzig dabei, dass es in beiden Fällen um das gleiche Thema ging. Denn in dieser Liste der neun Filme findet sich auch Dunkirk wieder. Damit ist auch gleichzeitig die Messlatte für diese Oskarverleihung extrem hoch gelegt, denn – wie man an anderer Stelle hier lesen kann – war Dunkirk überragend gut.
Ebenfalls in dieser Kategorie tritt übrigens an:
– Call me by your name – ein romantischer Film zwischen einem Teenagerjungen und einem attraktiven Studenten Namens Oliver im Italienischen Flair der 80er Jahre
– Get out – Mystery-Horror-Thriller, bei dem eine Frau eigentlich nur ihren Freund den Eltern vorstellen will.
– Lady Bird – Das nächste Coming-of-Age Geschichte, dieses Mal mit einem Mädel und Problemen mit den Eltern.
– Der Seidene Faden – Wohl eher ein Kostümfilm fürs London der 50er Jahre. Natürlich auch eine Romanze.
– Shape of Water – Insgesamt 13 mal nominiert, gleich die nächste Romanze, diesesmal in den 6er Jahren, aber mit einem Fischmenschen. 😉 Alles einmal dabei also. Interessanterweise hat Doug Jones schon bei Hellboy den Fischmenschen gegeben. Und auch der Film war von Guilliermo del Torro. Zudem läuft Jones auch auf der U.S.S. Discovery als Saru herum. Die Rolle des Fischartigen Aliens scheint ihm auf den Leib geschrieben. Aber dazu ein andermal.
– Three Billboards outtside Ebbing, Missouri – Kampf einer Frau gegen hinterwäldleriche und untätige Polizisten. Könnte vielleicht in die Richtung Hell or High Water gehen, definitiv keine Romanze.
– Die Verlegerin – Steven Spielberg packt mal wieder Tom Hanks in einen Film, setzt Meryl Streep oben drauf und erzählt die Geschichte der Pentagon-Papers und der daraus entstandenen Pressefreiheit. Trump, ick hör dir Trapsen.
Wirklich werten will ich das, was die Academy da vorgeschlagen hat jetzt noch nicht, aber ich habe nun zumindest schon mal den Vergleich zwischen Dunkirk und der dunkelsten Stunde. Und wenngleich ich „Darkest Hour“ nicht als besser ansehe, war der Film schon ein sehr vielversprechender Beginn in die Saison 2018.
Um den Film kurz zusammen zu fassen, der Film erzählt das großen Thema der ersten Amtszeit vom englischen Premierminister Winston Churchill. Dieser beerbt seinen zurückgetretenen Vorgänger Neville Chamerlain, weil ihm vorgeworfen wurde, im Umgang mit Deutschland zu zahm umgegangen zu sein. Deutschland hat soeben Belgien und Holland überrannt und Churchill soll nun übernehmen. Die Situation wirkt für England aussichtslos aus, die Franzosen haben den deutschen Kampflos das Feld überlassen, das komplette Heer der Engländer ist in Dünkirchen quasi eingesperrt und die deutsche Luftwaffe verhindert eine Evakuierung und das Beste, was US-President Teddy Roosevelt ihm zur Hilfe anbieten kann sind ein paar Pferde, die er ihn über die Grenze nach Kanada stellen kann. Schnell stellt sich ihm die Frage – kämpft England einen Kampf gegen einen Feind, den sie nicht besiegen können oder aber nehmen sie Verhandlungen mit der schlimmsten Bedrohung Europas aller Zeiten / dem Teufel persönlich auf. Es gibt im eigenen Kabinett durchaus Kreise, die solche Verhandlungen befürworten würden, allen voran Lord Hallifax, gespielt von Stephan „Stannis“ Dillane, der damit nach der Netflix-Serie „The Crown“ nun schon zum zweiten Mal einen wichtigen Part in einer Churchill-Erzählung spielt. Die Entscheidung, Verhandlungen kategorisch zu verweigern kann ihm die politische Karriere kosten und so scheint Churchill immer mehr unter der Last dieses Amtes zu zerbrechen, bis er doch wieder seiner Prinzipien treu wird und letztendlich die Geschichte ihren Weg gehen lässt.
Churchill wird dabei von keinem geringeren als Gary Oldman gespielt, auch wenn er als solches kaum wieder zu erkennen ist. Die Maskenbildner, allen voran Kazuhiro Tsuji haben dahingehend Oskarwürdige Arbeit geleistet. Ich zumindest habe ihn zu keiner Zeit erkannt, die Person vor mir war zu 100 % Winston Churchill und nicht Gary Oldman, der Churchill spielt. Ich konnte es höchstens erahnen und das auch nur an Nuancen in seiner Körperbewegung und seiner Stimme. Das ist also der Selbe Typ, der Norman Stansfield in Leon, Jean Baptiste Emanuel Zorg im fünften Element oder Jim Gordon in Nolans Batman-Filmen gespielt hat?
Tatsächlich trägt Oldman den Film komplett, seine schauspielerische Leistung ist mit „überragend“ nicht wertschätzend genug betitelt. Den kauzigen, murmelnden, ständig rauchenden und trinkenden Premierminister nimmt man ihm vollends ab und man hängt ständig an seinen Lippen um bloß keine Zote zu verpassen, die er so von sich gibt. Man muss aber auch sagen, dass die Leistung so erdrückend überragend ist, dass es im ganzen Film sonst nur eine Person gibt, die dahingehend überhaupt aus seinem Schatten treten kann. So verkommt der Film ein wenig zur Gary-Oldman-Show, denn die Geschichte ist grundsätzlich ganz interessant erzählt, gibt aber jetzt auch nicht so viel her, dass man sie deswegen für immer und ewig in Erinnerung halten würde. Es hat vielleicht so ein wenig was wie im Letzten Jahr, als Benedict Cucumerbutsch Alan Turing gemimt hat. Heute weiß ich noch, dass Crockenflutsch den Sherlock raushängen gelassen hat. Aber was er im Film genau gemacht hat, weiß ich kaum noch. So wird es vermutlich auch bei The Darkest Hour sein, wo ich am Ende vermutlich nur noch weiß, dass da Gary Oldman sein Husarenstück abgeliefert hat. Eine Rolle, die ihm übrigens nicht nur eventuell einen Oskar einbringen wird, sondern ihm auch eine kräftige Nikotinvergiftung beschert hat. ^^
Das soll nicht darüber hinweg täuschen, dass mich das gestern gesehene sehr wohl gut unterhalten hat. Der Film überzeugt nämlich neben Oldman auch mit einem sehr ansehnlichen Kostüm und ebenfalls mit einer sehr gelungenen Optik. Es gibt eine Szene, die einen (glaubhaft) Niedergeschlagenen Churchill zeigt, um ihn herum ist allerdings alles grau, alles kaputt, auf ihm ist ein sehr kaltes, helles Licht… all das intensiviert dieses Bild der dunkelsten Stunde, die visuelle Poesie ist in vielen solcher Stellen äußerst gut gelungen. Ebenfalls ein erfrischendes Element ist Kristin Scott Thomas, die die Rolle seiner Ehefrau Clementine spielt. Die beiden haben ein sehr entspannendes Verhältnis zueinander, wenngleich sie nicht müde wird zu erwähnen, was sie alles für seine Karriere geopfert hat.
Ich bin zudem auch nicht sicher, ob der Film immer komplett sich an die Wahrheit hält bzw. wirklich komplett Autobiographisch sein will. Auf der einen Seite spricht das originalgetreue Aussehen fast jeden größeren Protagnositen dafür. Dass Chamberlain im Film von seiner Krebsdiagnose weiß, obwohl in Wirklichkeit die Ärzte ihn nach ihrer Feststellung und nach einer OP quasi „dumm sterben gelassen haben“… drauf gepupst. Aber dass ein Winston Churchill an einem regnerischen Tag im Stau stehend aus seinem Auto stürmt, in die Ubahn rennt und dann mit normalen Stadtbewohnern Shakespeare zitiert und sie fragt, was er tun soll… es fällt mir schwer zu glauben, dass das wirklich so passiert sein soll, wenngleich es natürlich eine schön gemachte Geschichte war. Von daher konnte man das verzeihen, wenngleich es schon ein wenig Deus Ex Machina war. So ein gewiefter, integerer Typ wie Churchill hätte für sowas normalerweise neine Ubahnbesatzung gebraucht. 😉 Vermutlich wars eben auch nur dazu da, ihn menschlisch darzustellen und so eben Oldmans grandiose Schauspielkunst nochmal etwas hervor zu heben.
Wirklich außerhalb von Oldman existieren kann wie erwähnt nur einer. Und das sorgt für gefühlvolle, grandiose Szenen. Die Rede ist von Ben Mendelsohn, welcher auch optisch scheinbar eine Kopie von König George VI. abgibt. Auf der einen Seite der murmelnde, freche Churchill, der auf die Frage, ob man das wöchentliche Treffen mit dem König Montags um 4 machen könne antwortet, dass er da immer seinen Mittagsschlaf halte und das sei nicht verhandelbar, auf der anderen Seite den stotternden, schüchternen König von England, der von sich von Churchill eingeschüchtert fühlt, dennoch ein enormes Maß an Würde und Souveränität ausstrahlt, nur halt irgendwie aus einer ganz anderen Welt ist. Die Treffen der beiden sind so schön ausgespielt, dass sie einen eigenen Film wert wären. Aber eigentlich gibt es das ja schon als Serie, denn George VI. wie Churchill werden auch in der Serie „The Crown“ in deren ersten Staffel thematisiert und sorgen schon da für die bemerkenswertesten Szenen der ganzen Serie. Irgendwie scheinen beide Mensch geblieben zu sein, mit all ihren Schwächen. Das macht sie einfach sehr sympathisch.
Und so komme ich zur abschließenden Bewertung dieses Films. Verglichen mit den Vorjahren findet sich dieser Film auf jeden Fall im oberen Teil der Filme wieder. Während ich den Oskar für die besten männlichen Darsteller nirgendwo anders sehe als bei Oldman, glaube ich für „the darkest Hour“ jedoch nicht an den ganz großen Wurf. Auch ist es natürlich ratsam, beim ersten Film nicht gleich in die vollen zu gehen, man weiß ja nicht, was da noch kommt. So hätte ich normalerweise nun vier von sechs Oscars gegeben, für die Bildpoetik gibt es aber noch einen drauf und daher bewerte ich abschließend die dunkelste Stunde positiv mit guten 5 von 6 Oskarsternchen.