Dajin goes Oskar! Heute: The Shape of Water

Es hilft nichts. Wen nein Film für 13 Oscars nominiert ist, dann hat man gewisse Erwartungen in ihn. Dann muss er einfach überragend gut sein. So auch dieses Jahr, der mir zuvor vollends unbekannte Film „Shape of Water“ hat zumindest nominierungstechnisch bei der Academy voll eingeschlagen. Dabei liest sich der „Klapptext“ arg merkwürdig. Eine Frau verliebt sich in einen Fischmenschen? Whut? Anderseits, er ist von Guillermo del Toro. Der Mann hat Hellboy gemacht, mit Fischmenschen kennt er sich aus. Von ihm war Pans Labyrinth. Das Thema müsste ihm also liegen. Ich war dennoch skeptisch. Ich habe gemerkt, wie vorsichtig ich nach diesem Moonlight-Desaster geworden bin. Ob meine Skepsis gerechtfertigt war, erfahrt ihr nach dieser SPOILERMELDUNG!!!

Ich nehme es vorweg, der Film IST seine 13 Nominierungen wert. Der Film beschreibt die Geschichte der stummen Elisa Esposito (Sally Hawkins) , welche als Putzfrau in einer US-Einrichtung Anfang der 60er Jahre arbeitet. Ihre Putzdienste führen sie scheinbar auch problemlos in einen Top Securitybereich, in dem die US Regierung im Amazonas einen scheinbar sehr gefährlichen Fischmenschen (Doug Jones) gefangen haben und nun Experimente an ihm durchführen. Sie kommt mit diesem Wesen heimlich in Kontakt und es gelingt ihr sogar, mit diesem „Ding“ zu kommunizieren. So lernt es lernt etwas Zeichensprache oder reagiert auf Musik. Den Fischmenschen stört es nicht, dass Elisa nicht sprechen kann – wie auch, er kennt die Natur der Menschen ja eh nicht. Aber genau darüber verliebt sich Elisa in ihn. Und fasst den Entschluss, die Kreatur zu befreien, als sie mitbekommt, dass der fiese neue Sicherheitschef Richard Strickland (Michael Shannon) die Kreatur aus Forschungsgründen umbringen und sezieren will. Dank der Mithilfe des russischen Spions Dimitri / Dr. Bob Hoffstetler, welcher ebenso seine Begeisterung für dieses Fischwesen letztendlich über die Interessen „seines“ Landes stellt, gelingt dies auch. Das kann Strickland aber natürlich nicht auf sich sitzen lassen und nimmt so die Verfolgung auf.

Und so wird „The Shape of Water“ zu einem zauberhaften 123-Minütigen Märchen. Von Beginn an taucht man in diese Welt ein und wird von ihr verzaubert. Del Toro lässt sich im ganzen Bühnenbild mal wieder dezent von seiner Lieblingsfarbe Türkis treiben, alles im Film hat irgendwie Charme und wirkt etwas verträumt, ob es das stets leere Kino unter den Wohnungen von Elisa und ihrem freundlichen Nachbarn und besten Freundes Giles (Richard Jenkins) oder aber auch die Wohnung der beiden selbst ist. Dazu ist der Film mit friedlichen Chansons der damaligen Zeit untermalt. Auch und vor allem Sally Hawkins bringt den Zuschauer aber zum träumen. Und das obwohl sie kein Wort sagt. Aber ihre Körpersprache noch mehr als ihre Zeichensprache und ihre hervorragende Chemie mit Giles oder aber auch ihrer Arbeitskollegin Zelda Delilah Fuller (Octavia Spencer) ersetzen das gesprochene Wort völlig ausreichend. Sogar ihre Verbindung mit dem Fischmenschen wirkt absolut glaubwürdig und liebenswürdig. So ist ihre Leistung – trotz der überragenden Leistung von Frances McDormand in Three Billboards outside Ebbing, Missouri – wirklich Oskarwürdig.

Dieses ganze Flair nimmt den Gast auf eine Reise, der sehr an die fabelhaften Welt der Amelie erinnert. Denn tatsächlich hat auch Eliza einen Effekt auf ihre Umwelt. Giles zum Beispiel als alter, zurückgezogen lebender Herr, der – nur noch umgeben von seinen Katzen und den Hollywood-Heile-Welt-Schmachtfetzen in seinem Fernseher- seinem Leben und den darin vergebenen Chancen hinterher trauert, blüht in Elizas Gegenwart nochmals auf.

Auf der anderen Seite gibt es dann auch noch mit Strickland einen perfekten Antagonisten. Del Toro hat schon in Pans Labyrinth bewiesen, dass er gute Bösewichte zeichnen kann. Auch Michael Shannon macht da keine Ausnahme. Der Darsteller von „General Zod“ aus Men of Steel mimt einen vollends von sich und seiner Göttlichkeit überzeugten Marine, der gar nicht merkt, wie sehr seine eigene Arroganz und Selbstgefälligkeit ihm im Weg steht. Ihm ist es nur wichtig, andere zu dominieren. Von Anfang an wird klar, wie grausam er ist, trägt er doch ständig seinen meterlangen Elektroschlagstock mit sich herum, in einem Kampf gegen den Fischmenschen verliert er zudem zwei Finger, welche zwar wieder angenäht werden können, aber absterben und faul werden, weswegen er sie später eigenhändig abreißt. Auch seine stete Schmerztablettensucht machen ihn wenig sympathisch.

Wie sehr Strickland der Antagonist in diesem Film ist, zeigt sich auch daran, wie der Film mit Sexualität umgeht. Tatsächlich spart der Film nicht mit nackter Haut, aber während die tatsächlich existierende Liebesszene zwischen Eliza und dem Fischmenschen sehr sinnlich und liebevoll daher kommt, wirkt eine entsprechende Szene mit Strickland und seiner Ehefrau wie Strickland selbst. Kalt, Emotionslos, ruppig. Er zieht den Akt sogar noch durch, als seine Frau ihn darauf hinweist, dass seine Finger bluten und er ignoriert den Einwand und hält ihr mit genau dieser blutenden Hand den Mund zu. Lecker….

Nein, da bleibt man doch lieber bei Eliza und Giles. Die ihre Liebe für Heile-Welt-Hollywood-Schmachtfetzen durchaus teilen und so auch ganz passable Tänzer sind. In einem Fall wird man so sogar in die Traumwelt von Eliza entführt, so wie dann mit dem Fischmenschen einen großen, Hollywoodesken Stepptanz-Gala-Auftritt verrichtet. Einfach schön anzusehen.

Als perfektes Ende hat auch noch einen Schluss, dass durchaus Interpretationsspielraum gibt. Denn natürlich kann man einen Fischmenschen wie diese „Amazonas-Gottheit“ nicht in einer Badewanne halten. So lassen sie den kränkelnden Fischmenschen letztendlich beim Pier ins Meer aus, was selbstredend nicht ohne Showdown abläuft. Da die letzte Szene, welches ein Happy End darstellen könnte, bereits mit dem Off von der Stimme Gilles kommentiert wird, kann man nicht gänzlich ausschließen, dass dies bereits wieder eine Phantasie von Gilles ist. Aber es ist ein gutes Ende.

Und so komme ich auch zum Ende meiner Filmrezension. Ich denke nicht, dass der Film irgendwo groß schwächen gehabt hätte. Dass Eliza vielleicht doch viel zu einfach in solch einen Sicherheitsbereich wandern kann oder dass man nur durch das abkleben eines Türspaltes ein komplettes Badezimmer (mit Holzboden) gänzlich unter Wasser setzen kann, in dem man einfach nur den Wasserhahn aufdreht kann man irgendwie gut verzeihen, denn diese innere Logik ist für solch ein Märchen nicht relevant. Auf der anderen Seite ist dieser Film irgendwie bedeutend. Das kann ein Film sein, über den man auch in 17 Jahren noch reden könnte, ähnlich wie es vor 17 Jahren bei der fabelhaften Welt der Amélie war. (Audrey Tautou ist inzwischen übrigens 41). Guillermo del Toro ist hier ein wahres Meisterwerk gelungen, wenngleich ein typischer, wiedererkennbarer del Toro. Und deswegen ist the Shape of Water für mich trotz Dunkirk der neue große Oskaraspirant. Er ist nämlich definitiv besser als Moonlight. Er ist besser als Spotlight und er ist besser als Birdman. Mein bisheriger Favorit Dunkirk ist ein Film, den man in 15 Jahren vermutlich immernoch im Fernsehn wird sehen können. Aber Shape of Water könnte ein Film sein, über den man in 15 Jahren immer noch reden will – ähnlich wie die unvergessene Amélie. Und das schlägt Dunkirk. Und daher kein Zweifel. 6 von 6 Oskars!

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