Dannimax goes Oskar! Heute: Der seidene Faden

Drei Filme stehen noch vor mir auf dem Weg, alle neun nominierten Oskarfilme in der Kategorie Best Picture anzusehen. Jetzt, wo der Oskar vergeben ist, geht man durchaus anders an die Filme heran, mehr unter der Prämisse „ist der nächste Film besser als der, der es gewonnen hat?“ Während im letzten Jahr wirklich jeder Film besser war als der Gewinner „Moonlight“ ist das dieses Jahr eine echte Herausforderung. Daher kommen wir nun zur Frage, ob der jüngste Film in dieser Liste „Der seidene Faden“ mit Daniel Day-Lewis an Shape of Water heran kommen kann. Ihr erfahrt es nach dieser Spoilerwarnung!

Eins kann man über „Phantom Thread“, wie der Film im englischen heißt mit Sicherheit sagen. Er reiht sich mühelos ein in die Riege der bisher gesehenen Filme ein, was die Bewertung im Gesamten betrifft, er ist ein sehr guter Film. Wenngleich er mit 131 Minuten dann vielleicht doch ein wenig zu lang geraten ist. Beziehungsweise er sich ein wenig zu viel Zeit am Anfang lässt, bis die Story etwas an Fahrt gewinnt. Die Geschichte beschreibt die Beziehung zwischen dem Star-Schneider Reynolds Woodcock, gespielt vom dreifachen Oskar-Gewinner Daniel Day-Lewis und der Kellnerin Alma, gespielt von der Luxemburgerin Vicky Krieps. (Ich habe keine Ahnung, wie jemand aus Luxemburg an so eine Rolle heran gekommen ist. Bisher langte es für Vicky auch nur zum Tatort oder zur Jenny Marx in der Marx-Verfilmung. Aber diesen Job hier erledigt sie geradezu Oskarreif.)

Gerade der Kampf Almas um ihre Rolle mit einem komplizierten Geliebten erklärt letztendlich auch, wie dieser Film in die Riege der besten neun gelangte. Wie bei der Verlegerin, wie bei Ladybird, bei Three Billboards und im Grunde bei Shape of Water geht es um starke Frauen, die sich in einer harten Männerdominierten Welt durchsetzen. Die Oskars haben #metoo also sehr wohl zum Thema gemacht. Und Alma muss sich in ihrem Versuch, den Lebemann Reynolds Woodcock zu zähmen auch gehörig anstrengen.

Dieser wirkt, als hätte er das Aspergersyndrom. Als solcher ist er hypersensibel. Alles muss seinen festen Ablauf haben, schon ein einfaches Gespräch zur falschen Zeit lässt ihn aus der Haut fahren. Solange er sich in seiner Comfort-Zone befindet, kann er sich als der Charmante Star-Schneider in London der 50er Jahre geben. Einer der sogar die Royals ferner Länder mit seiner Mode beliefert. Doch wehe, es läuft nicht wie gewohnt. Am Anfang sieht man so zum Beispiel eine Frühstücksszene mit seiner vorherigen Geliebten. Diese beschwert sich beim Frühstück, dass er sie gar nicht mehr beachten würde, woraufhin er sie unterbricht und ermahnt, dass es doch das Frühstück wäre und sie gerade einen Konflikt hervorrufen würde, aber weil er ja arbeiten müsse, hätte er keine Zeit für Konflikte, sie solle mit ihrem Problem kommen, wenn Zeit dafür wäre, was vermutlich niemals sei.“ Das führt dazu, dass Reynolds Schwester Cyril, welche stets in seiner Nähe ist anweist, ihr „das Oktober-Gewand“ zu schenken, was so viel bedeutet wie „Hier ist die Aufwandsentschädigung, ich brauche dich nicht mehr.“

Sowieso ist Cyril die eigentliche Cheffin im Haus. Während er mehr für das Kreative verantwortlich ist, schmeißt sie den ganzen laden und passt zudem darauf auf, dass Reynolds Kreativität nicht durch ungeplante Ereignisse in Gefahr geraten. Um diesen „Trennungsschmerz“ zu verarbeiten, schickt ihn Cyril auch aufs Land zum Anwesen der vor langer Zeit verstorbenen aber längst nicht vergessenen Mutter. (Um nicht zu sagen, er scheint ein richtiges Mamasöhnchen zu sein, der den Tod der Mutter nie verarbeiten konnte und mit Cyril die Ersatzmama hat… was nicht mehr wirklich verwundert)

Lebemann Reynolds trifft dort im Restaurant eben jene Kellnerin Alma an, die sich offensichtlich beim ersten Blick schon in ihn verliebt hat. Und auch er scheint sehr angetan. Auch Alma ist etwas seltsam. Sie spricht etwas langsam und scheint eher simplerer, stillerer Natur zu sein. Zudem hat sie ein äußerst niedriges Selbstbewusstsein, was auch mit ein Grund ist, warum sie Reynolds verfällt. Denn durch seine Kleider und seine Anwesenheit fühlt sie sich selbst nicht mehr hässlich. Von daher wird sie sehr schnell seine Muse und wird so für ihn zu einem „Model“ für seine Kleider und darf in seinem Anwesen in London leben und ihn inspirieren.

Das ist Alma allerdings nicht gut genug. Offensichtlich will sie diesen Eigenbrötler zähmen und aus dem Lebemann einen Ehemann machen. Was man unter heutigem Aspekt vermutlich eine „kaputte Beziehung“ nennen würde, wird in diesem Fall aber sehr erfolgreich romantisiert und entsprechend erzählt. Denn Alma ist ziemlich zäh und unaufhaltsam in ihrem Bemühungen, wenngleich es ein scheinbar aussichtsloser Kampf zu sein scheint. Sie schreckt dabei nicht einmal davor zurück, ihrem angebeteten gleich mehrfach eine Pilzvergiftung zuzufügen. Doch das klappt nun mal. Denn wenn Reynolds sich aus seiner Komfort-Zone bewegen muss, wird er wie zum kleinen Kind. Und dann akzeptiert er bald nur noch die sich wie eine Mutter verhaltende Alma in seiner Gegenwart. So kommt es tatsächlich dazu, dass Reynolds sich Almas Bedeutung ins einem Leben klar wird und ihr tatsächlich einen Heiratsantrag macht, den sie annimmt.

Damit sind die Konflikte im Haus aber natürlich noch nicht behoben, denn Reynolds hat immer noch seine Spleens und es benötigt tatsächlich eine zweite Pilzvergiftung, damit er sich auch bereit zeigt, die Spleens zu Gunsten Almas abzulegen und ihren Einfluss und ihre Anwesenheit endlich zu akzeptieren. Im Grunde geht also Alma als Gewinnerin aus dem Film heraus.

Wie gesagt, heutzutage hätte man das eine kaputte Beziehung genannt. Aber die Art und Weise, wie Regisseur Paul Thomas Anderson (There will be blood) diese Geschichte erzählt ist wirklich gut gelungen. Day-Lewis beweist sein großartiges Schauspielerisches Talent… übrigens in seiner aller letzten Rolle. Im letzten Sommer erklärte Daniel Day-Lewis, dass er nicht mehr als Schauspieler arbeiten werde. (Mit 60 in Rente…. ). Und auf der anderen Seite ist Vicky Krieps als etwas langsame, ihren geliebten ständig anstarrenden Alma hervorragend. Der guten Vicky sieht man übrigens auch nicht an, dass sie schon 35 ist. Wirklich ein toller Anblick.

Ganz toll sind aber auch die vielen Kostüme, die zu sehen sind. Reynolds Woodkirk scheint sein Handwirk wirklich hervorragend zu verstehen und nicht ohne Grund erhielt der Mann dahinter, Mark Bridges (The Artist, Doc Hollywood, Natural Born Killers, 8 Mile, There will be blood, Jason Bourne, Fifty Shades of Grey) hierfür seinen zweiten Oskar. Zudem rundet stete, ruhige Piano-Musik diesen mancherorts mit „Gothic Romance“ bezeichneten Film ab.

Macht ihn das zu einem würdigen Oskar-Kandidaten? Im Vergleich zu Shape of Water sicher nicht. Wenngleich der seidene Faden ein guter Film ist, so hat er seine längen und vor allem nicht die gleiche Bedeutung wie Shape of Water. Während des Filmes fühlt man sich meist gut unterhalten, aber man nimmt kaum etwas aus dem Kinosaal heraus. Bei der Bewertung langt es für mich allerdings dennoch für 5 von 6 Oskars. Kaum zu glauben, dass er damit sogar nur der fünftbeste von aktuell sieben gesehenen Filmen ist. Doch der seidene Faden kommt trotz seiner Qualität nicht an Shape, Billboards, Dunkirk oder longest Hour heran. Was für eine wundervolle Welt der Qualität. Davon könnte sich die xte bedeutungslose Marvel-Verfilmung mal eine Scheibe abschneiden. (und selbst diese sind ja immer noch bedeutend besser als das, andere so raus bringen). Schon am Donnerstag geht es nun in Call me by your Name in Film Nr. 8. Und ich bin gespannt, ob dieser Film das bisherige Niveau halten kann.

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