Dannimax goes Oskar! Heute: Lady Bird
Ein letztes Mal für die Saison 2018 ging es nun in einen Film, der für die Kategorie „Best Picture“ nominiert wurde. Das große Finale lieferte uns Ladybird mit Saorise Ronan in der Hauptrolle. Die Irin hatte mich schon vor zwei Jahren mit ihrem Film „Brooklyn“ absolut geflashed, nun spielt sie die Hauptrolle im Coming-of-age-Film Ladybird. Ein Genre, dem ich als alter Sack normalerweise ja schon entwachsen bin, wie der Name schon sagt. Ob Ronan wieder zu begeistern wusste, erfahrt ihr wie gewohnt nach dieser SPOILERWARNUNG!!
Die Antwort lautet „Aber hallo“. Das Filmdebut von Regisseurin Greta Gerwig ist äußerst gelungen. 95 Minuten lang verfolgt man das Leben von Christine „Lady Bird“ McPherson und ihr Erwachsenwerden, mit all den Problemen und Sorgen, die man als Teenager des Jahres 2003 ebenso hat. Und es ist einfach ein großer Spaß, ihrem Leben oder das ihrer Familie und ihrer Freunde zuzusehen, soweit, dass man sich am Ende wünscht, es wäre noch nicht zu ende.
Das liegt natürlich zunächst an der Hauptdarstellerin. Saorise (ausgesprochen Soor-scha) Ronan ist einfach unheimlich charismatisch, sie wirkt wie ein Mädchen aus unserer Mitte und nicht wie einer dieser unerreichbaren Hollywood-Stars. Und auch das, was ihr passiert, gibt einem ein gewisses Maß an Wiedererkennung mit, denn irgendwie erlebt sie die Themen, die so ziemlich jeden Teenager auf seinem Weg zum erwachsenwerden mitgemacht haben dürfte. Karriere, das abnabeln von den Eltern, Jungs, das erste Mal aber auch Notendruck, soziales Umfeld oder ähnlich wirklich ernste Themen stehen auf der Tagesordnung.
Spannend dabei ist, dass man eben nicht nur ihr Leben mitverfolgt, sondern jede Nebenrolle ihre eigenen Probleme zu tragen hat und diese durchaus dazu führen, dass man sich darin wieder erkennt. Das kann Vater Larry (Tracy Letts) sein, der seinen Job verloren hat und altersbedingt nichts findet, zudem Lady Bird verheimlicht, dass er Depressionen hat. Oder es kann ihr Bruder Miguel (Jordan Rodrigues) und seine Freundin Shelly (Marielle Scott) sein, die trotz ihrem College-Abschluss keinen Job finden und ihr Heil in der gut gepiercten Gothic-Bewegung finden. Vielleicht auch in der Rolle ihrer besten Freundin Julie (Beanie Feldstein, die jüngere Schwester von Jonah Hill), welche stark übergewichtig ist und eigentlich eine Außenseiterin ist und stark darunter leidet, dass Lady Bird irgendwann lieber mit der Klassen-queen Jenna „Odeya Rush“ abhängt, um so an den hippen Bassisten Kyle (Call me by your name-Opfer Timothée Chalamet, in einer nur dezent sympathischeren Rolle) ran zu kommen. Oder aber ihr erster Freund Danny O’Neill (Lucas Hedges, damit mit dem dritten Film in Folge bei der Best Picture-kategorie dabei, erst Manchester by the Sea, dann The Billboards, nun Lady Bird), den sie irgendwann mit einem anderen Mann knutschend auf der Männertoilette erwischt und der in einem erzkatholischen Umfeld mit seiner Homosexualität zurechtkommen muss.
Sogar die kleinsten Rollen haben so ein Leben. Sogar über den Leiter der Theater-AG, Father Leviatch (Stephen Henderson, welcher damit ebenfalls mit seinen letzten drei Filmen bei drei Best-Picture-Filmen dabei war, Manchester by the Sea, Ladybird und Fences) findet man heraus, dass dieser wohl vor seiner Zeit als Priester eine Familie hatte und den Sohn durch eine Überdosis verlor, was Father Leviatch letztendlich in der Klapsmühle enden lässt. Die wichtigste Rolle aber hat ohne wenn und aber Lady Birds Mutter Marion McPherson. (Laurie Metcalf, die Mutter von Sheldon Cooper oder Jackie aus Roseanne).
Marion McPherson spielt die Rolle der strengen Mutter, die ihre Tochter abgöttisch liebt, aber nicht in der Lage ist, ihr das auch zu sagen und selbst unter einer sorglosen Trinkerin als Mutter zu leiden hatte und daher nun die strenge Mutter geben will, um es bei Lady Bird eben besser zu machen. Natürlich sorgt das bei Teenagern für Zoff, so sind die beiden über jede Kleinigkeit am Streiten, das können Kleinigkeiten sein wie ein unaufgeräumtes Zimmer bis hin zu den großen Themen. So will Lady Bird komme was wolle Sacramento verlassen und an der Ostküste auf ein Kunstcollege, während Marion ihre Tochter zur Bodenständigkeit erziehen will und somit hofft, dass sie auf ein College in Sacramento geht. Entsprechend schief hängt der Haussegen, als sich die eh von Natur aus eher unehrliche Lady Bird hinter ihrem Rücken für die Universitäten an der Ostküste bewirbt und dann auch noch in New York angenommen wird.
So ist es letztendlich diese natürliche, oft traurige, aber im Grundton immer fröhliche Atmosphäre, die all diesen Menschen richtig Seele einhaucht. Der Film hat in sofern keine richtige Handlung, es sind immer wieder nur kleine Episoden eines Lebens. Doch durch seine Natürlichkeit und gefühlten Realismus, aber auch die Freude, mit der man mit diesen Alltagssorgen begegnet, entsteht dadurch ein richtiger Feel-good-Moment, auch wenn man dann aus dem Kino wieder raus geht. Irgendwie fühlt man sich verstanden. Zudem ist er urkomisch, wo ich zum Beispiel die Nachfolge von Father Leviatch erwähnen will, ein Footballcoach, der die Bühnen aufführung an der Taktiktafel erklärt, als sei es ein Footballspiel und bei jedem Auftritt ultra euphorisch und laut jubelt. Pures Comedygold. Es ist auch schön zu sehen, wie Lady Bird eine wirkliche Entwicklung durchmacht und irgendwann eben weiß, was ihr Ding ist und dann auch zu ihrer Herkunft oder zu ihren echten Freunden steht.
Und so kamen bei mir letztendlich Gedanken an einen Film wie Boyhood oder Moonlight auf. In den Filmen wurden über 425.378 Minuten 12 langweilige Jahre eines bideren Lebens oder Episoden eines Ghettojungen gezeigt, die irgendwie alle grau und trist wirkten. Und so zu Problemen wurden, die sie eben so nur in Hollywoodfilmen haben. Wenngleich die Erzählweise die gleiche ist, hat Lady bird hingegen alles richtig gemacht, was Boyhood und Moonlight oder Call me by your Name falsch gemacht haben. Die Dialoge sind nicht schwulstig oder klischeebeladen. Die gezeigten Charaktere nicht künstlich. Und vor allem ist das Leben nicht nur schlecht und ungerecht, sondern hat eben auch seine positiven Momente. Und so sieht man immer wieder eine jubelnde oder weinende Lady bird wo man in anderen Filmen eine minutenlange Nahaufname einer Mikrowelle sieht. Nein, an Lady Bird gibt es überhaupt nichts auszusetzen, tatsächlich gebe ich dem vierten Film in dieser Saison die volle Punktzahl von 6 von 6 Oscars.
Abschließend sei zu sagen, dass der Jahrgang 2018 Oscartechnisch das höchste Niveau in den letzten vier Jahren hatte. Es gab mit Ausnahme von Call me by your name keinen einzigen Totalausfall. Zum Abschluss der 2018er Oscarserie daher hier meine Oscar-Filmcharts 2018
1 – Shape of Water (6 von 6)
2 – Dunkirk (6 von 6)
3 – Three Billboards outside Ebbing, Missouri (6 von 6)
4 – Lady Bird (6 von 6)
5 – The darkest hour (5 von 6)
6 – Der seidene Faden (5 von 6)
7 – Die Verlegerin (5 von 6)
8 – Get out (4 von 6)
9 – Call me by your name (1 von 6)