Was haben Deutschland, Frankreich und Italien gemeinsam? Sie sind beide Stimmberechtigt für das zweite Halbfinale des Eurovision Song Contests, welches man am Donnerstag, dem 10. Mai um 21 Uhr auf One verfolgen kann. Für wen man da am besten anruft? Ich wage mich mal an eine Prognose und stelle die 18 Teilnehmer ein wenig vor.
Aus ihrer Mitte sollen dann letztendlich 10 Länder fürs Finale qualifizieren. Und im Vergleich zum ersten Halbfinale ist eine Vorhersage hier deutlich schwieriger, da sich kaum Favoriten im Teilnehmerfeld tummeln und auch qualitativ alles nicht so eindeutig verteilt ist wie im ersten Halbfinale. Das kann gut für die Spannung sein, aber vermutlich ist alles das davor etwas schwieriger zu ertragen als zwei Tage zuvor.
Der Starter dabei ist Norwegen. Normalerweise ist der Starter ja ein recht undankbarer Platz, aber wie schon im Hauptartikel berichtet, Norwegen hat einen Alexander Rybak. Und so anspruchslos sein Simple Song „Thats how you write a Song“ auch sein mag, irgendwie ist er Catchy. Rybak hat es einfach drauf und daher wird er sich ohne Mühe qualifizieren.
Weiter mit den undankbaren Startern geht’s mit Rumänien. Die bringen dieses Mal mit The Humans und ihrem Song Goodbye eine etwas rockigere Nummer. Wirklich Fan davon bin ich aber nicht. Er ist irgendwie einfach zu langsam und zieht sich. Zudem ist er eindeutig im 90er Jahre Stil und könnte halt auch so eine Melissa Etheridge Nummer sein. Toll auf jeder 90er Party. Aber eben auch nur da. Es wird nicht einfach für Rumänien, aber Moldawien in der gleichen Gruppe zu haben ist schon mal ein Pfund.
Und ich mag Rumänien zumindest mehr als den Serbischen Beitrag auf drei. Sanja Ilic & Balkanika singen da Nova deca und gehen voll auf Balkan-Ethno. Mit Sirenen und Flötenspiel am Anfang, Trommler und auch sonst alles an Klischees, die man nur auf die Bühne packen kann. Der Vortrag jammert so drei Minuten vor sich hin und wird seine Fans vermutlich wirklich nur im Balkan finden können. Da sich aber mit Montenegro und Slowenien noch andere ex-jugoslawische Länder im Teilnehmerfeld finden, darf man Serbien noch nicht abschreiben.
San Marino hingegen können nicht mal die Punkte aus Italien retten. Jessika – feat. Jenifer Brening haben in ihrem Song „Who we are“ niedliche Roboter. Das wars aber auch schon. Das Ding hat Amateurstatus in jeglicher Hinsicht. Klar, damit bleiben sie sich im Vergleich zu den letzten Jahren irgendwie treu. Und ganz ehrlich, so schlimm ist der Song der beiden Frauen nicht, ich mag sogar den Rap-Teil. Aber umgeben von all diesen perfekten, kostspieligen Auftritten wirkt das eben wie eine Aufführung in der Aula der Realschule Saarburg-Beurig. Chancenlos.
Ein Hurra dafür an Dänemark auf Platz 5. Die schicken Game of Thrones-Star Tormond Riesentod auf… äh… moment… das ist er ja gar nicht, der sieht nur so aus. Aber das Setting passt, im Song „Higher Ground“ (Star Wars Fans jubilieren an der Stelle) führt Rasmussen einen Chor von Wikingern an, die offensichtlich gerade Portugal mit ihren Wikingerschiffen erobern. Dazu schmettern sie eben diese Hymne und irgendwie ist es geil anzuhören. Ja, man könnte es auch „Cheesy“ nennen. Es hat so einen „das passiert doch jetzt nicht gerade wirklich?“-Faktor. Aber an Dänemark ist kein Vorbeikommen in dem Jahr. Weiter geht’s.
Position 6 ist dafür etwas ganz besonderes. In mehrerlei Hinsicht. Russland mit Julia Samoylova. Das ist die Frau, die im letzten Jahr von Russland als Vorwand geschickt wurde, um bloß von der Ukraine disqualifiziert zu werden. Sie hatte zuvor musikalische Auftritte in der besetzten Krim abgehalten und durfte daher für drei Jahre nicht in die Ukraine einwandern. Wohlgemerkt eine Musikerin, die an einen Rollstuhl gefesselt ist wegen spinaler Muskelatrophie. Getreu dem Motto „Schaut such die böse Ukraine an, die nicht mal sowas ins Land lässt“. Scheinbar hat die EBU den Russen klar gemacht, dass sie gefälligst Samoylova im Jahr drauf nach Portugal senden, wenn sie nicht gleich ganz disqualifiziert werden wollen. Und daher kann man wohl auch 2018 als ein Sabattical für Russland bezeichnen. Denn der Song ist das pure Grauen. Nichts an dem Song ist gut, nichts macht ihn sympathisch. Samoilowa kann nichts dafür, aber durch ihre Krankheit fehlt es der Sängerin an Bühnenpräsenz und Charisma. Das Bühnenbild ist dann auch noch so konstruiert, dass ihr Rollstuhl gänzlich versteckt wird. Man versucht es also noch nicht mal mit der offensichtlichen Mitleidsnummer. Der Song ist so schlecht, dass Buchmacher der Meinung sind, dass in diesem Jahr unter Umständen nicht mal das Nachbarschaftsvoting die Russen irgendwie noch ins Finale ziehen könnten. Da sind dieses Jahr auch nicht so viele, potentielle Punktelieferanten sind Moldau, Georgien, Lettland und wohl eher nicht… die Ukraine. Daher könnte der Song ein Novum sein. Der schlechteste russische Beitrag aller Zeiten und damit der erste, der sich vielleicht nicht qualifiziert.
Weiter nicht in die russischen Karten spielt das schon im ersten Halbfinale zu betrachtende Favoriten-Sandwich. Denn auf 7 kommt DoReDos für Moldawien mit „my lucky day“. Moldau wurde ja schon im Vorjahr dritter mit einer witzigen Nummer nebst Epic Sax guy und sie haben sich für dieses Jahr gedacht: „Bleiben wir doch dabei“. So haben sie mit „my lucky day“ erneut einen simplen Fun-Song gebracht, der vor allem dadurch punktet, dass ihre Künstler so authentisch und sympathisch wirken und ihren Spaß auch vermitteln können. Es kommt für mich nicht so ganz an „Hey Mama“ am Vorjahr heran, aber qualifizieren wird der Song sich. Keine Frage. Das Publikum wird ihn lieben. (Die Juroren vermutlich eher weniger)
Rang 8 sind die Niederländer. Die haben seit einigen Jahren immer gute Beiträge gesendet und auch in diesem Jahr sollte „Outlaw in ‚em“ von Waylon den Weg ins Finale finden. Waylon kennt man als männlichen Part in den Common Linnets, was verrät, dass es auch in diesem Jahr Countrymusik gibt. Anfangs sah man Waylon sogar im erweiterten Favoritenkreis auf den Gesamtsieg, aber sein Staging soll wohl so blasiert und künstlich wirken, dass er sich damit kräftig schadet. Auf der Bühne wäre das, was er zeige wohl kein Country. Doch obwohl es künstlich wirkt, wird er sich denke ich qualifizieren. Der Song ist tatsächlich gut genug dafür.
Die erste Hälfte auf Neun geht dann an Australien. Die bleiben sich ebenfalls treu und bringen mit Jessica Mauboys Popnummer „we got love“ das, was sie immer bringen, einen maschinengefertigten Popsong. Er ist modern, er fällt nicht auf, er hat keine Seele, aber eine schöne Sängerin. Das reicht wie immer, ob ganz oben mit dabei zu sein. Aber es wäre schon mal schön zu sehen, was Australien musikalisch eigentlich an Varianz bieten kann. Da wird man wohl bis 2019 warten müssen.
Nach der Pause kommt noch ein Land, dass sich bei ihrer Musik gerne treu bleibt. Georgien. Aber nicht etwa durch Popnummern, sondern durch Musik als Kunstwerk. Meist bleiben sie damit im Halbfinale stecken. Und es droht auch Iriao mit ihrem Song „For you“ Aber er hat es eigentlich nicht verdient. Die fünf Sänger kommen mit wirklich wunderschönen Harmonien auf die Bühne, Schlicht, aber wunderschön. Dazu auf Georgisch gesungen kann dieser Song so richtig das Herz erwärmen. Ich würde mich so sehr über ein weiterkommen von Georgien freuen. Aber bei so einem Fastfood-Event kommen diese Feuerzeug-Songs einfach nicht so an. Wirklich schade.
Zumal mit Polen auf Rang 11 auch gleich wieder so eine Clubnummer kommt. Gromee und Lukas Meijer haben mit „Light me up“ dabei tatsächlich noch eine sehr nette Nummer aufs Parkett gezaubert. Die tut auch keinem Weh und bringt einen ganz ordentlich zum Schunkeln. Es ist so ein Song, den man vermutlich als Hintergrundmusik für seine Youtube-People-are-awesome-Kompilationen nutzen würde oder den Leuten andere Videos von coolen Dingen in kurzer Abfolge zeigen will. Muss man ja auch erstmal schreiben.
Das sind auch mehr Anlässe, als ein normaler Mensch finden würde, um Maltas Song Taboo von Christabelle auf 12 noch einmal abzuspielen. Da ist er endlich, die billige Eurodance-Nummer, die Malta in aller Regelmäßigkeit seit 2002 spielt und mit aller Konsequenz damit im Halbfinale hängen bleibt. Der Song ist kaum zu ertragen, Christabelle sieht auch noch aus wie eben diese ESC-Teilnehmer aus Aserbaidschan, Georgien, San Marino… eine Maske aus Make-Up nimmt jegliche Persönlichkeit, nichts macht den Song irgendwie besonders. Daher geht der Daumen klar nach unten.
Zumal auch sie in einer Sandwich-Position zum vermutlich echten Highlight dieses Halbfinals steckt. Ungarn. Die geben im wahrsten Sinne des Wortes alles, denn AWS ist eine Post-Metalcore-Band und growlt in ihrem Song Viszlát nyár drei Minuten lang die Bühne zusammen. Und Metalheads erkennen, dass sie das in richtig guter Art und Weise machen. Der Leadsänger klagt dabei über den Tod seines Vaters und das schwere Verhältnis der beiden… und es ist glaubwürdig. Der Schmerz und das Gefühl kommt bei dem Song einfach an, dazu gibt es eine Bühnenshow, die mit Stagedivern und einer riesigen Pyroshow einfach alles hat, was das Metalherz sich erhofft. Natürlich ist das ein Risiko bei solch einer Bühne. Aber meiner Meinung nach wird sich der Song qualifizieren. Dafür ist die Nummer zu ehrlich. Metaller haben das damals bei Lordi erkannt, sie haben auch eine Menge Versuche mit Metal abgestraft, weil sie murks waren (ich denke da an Sloweniens Max Jason Mai). Aber hier sollten sie sich vereinen. Denn AWS hätte es verdient.
Der Kontrast zu Lettland auf 14 wird entsprechend hart. Laura Rizzotto kommt mit „Funny Girl“ mit der Powerballade hinterher. Und es ist schon wieder so eine 08/15-Powerballade, wie man sie schon tausend Mal gehört hat. Nichts an dem Song bleibt irgendwie kleben, er ist einfach nur da. Er würde vermutlich in Vergessenheit geraten, könnte aber von alldenjenigen leben, die Ungarn auf den Tod gehasst haben. So Marke „Oh, Erlösung“. Lettland ist ein Wackler in dem Jahr.
Denn auch Lettland ist in einer Sandwich-Position. Denn es folgt das Mutterland der Musik. Schweden. Jeder weiß, dass Schweden einfach die besten Komposer hat. Und wie schon im letzten Jahr merkt man, dass sich die Composer in diesem Wissen schon gar nicht mehr anstrengen. Sie schicken mit Benjamin Ingrosso und seinem „Dance you off“ erneut eine moderne, geklonte, seelenlose Popnummer aufs Parkett, getreu dem Motto „wir sind Schweden, wir könnten drei Minuten lang den Bi-ba-butzemann machen, die Jurys geben uns schon die Punkte. So ist auch „Dance you off“ eben genau einer der Songs, die im Radio auf einmal auf und ab laufen, obwohl keiner danach gefragt hat, der dann immer als „die neue Sensation aus Schweden“ verkauft wird und dann viermal am Tag gespielt wird und niemand weiß, wie der Typ eigentlich heißt. Aber den Song kennt jeder. Schweden kommt mit dieser Gehirnwäsche Jahr für Jahr durch. Und so wird es auch dieses Jahr sein.
Zumal auch der Song danach keine Erleuchtung darstellt. Montenegro schläfert die Zuschauer mit Vanja Radovanovics „Inje“ regelrecht ein. Balkan-Pop in langsam. Ich weiß gar nicht, wie ich den Song mit mehr als einem Satz beschreiben soll, denn ich schlafe während der drei Minuten in fast jeglicher Regelmäßigkeit fast ein und habe ihn mit der letzten Note auch schon wieder komplett vergessen. Vermutlich ist er sogar noch ganz nett, ich weiß es nicht mehr. Aber ich weiß, dass es mir nicht als einziger so gehen wird, wie immer sehen wir Montenegro danach nicht wieder.
Und auch Slowenien wird auf 17 mal wieder dieses Schicksal blühen. Slowenien bleibt sich quasi auch mal wieder damit treu, irgendwelche US-Popstars kopieren zu wollen. Das ist auch bei Lea Sirk und ihrem Song „Hvala, ne“ nicht anders. Der Song derweil leidet unter einem Refrain, der einen irgendwie aggressiv macht. Er hinterlässt den Wunsch, wütend den Sender zu wechseln, weil man das gehörte einfach nicht erträgt. Dabei sieht Lea wirklich sympathsich aus und weiß, was auf der Bühne zu tun ist. Man will es einfach nur nicht sehen. Das ist natürlich eine schlechte Voraussetzung für eine Qualifikation und man kann wohl froh sein, dass danach nur noch ein Song kommt. So verpassen diejenigen, die tatsächlich weg schalten nicht zu viel.
Das Finale bestreitet dann die Ukraine. Die senden den „zu-fünfzig-Prozent-Freund-von-Kontaktlinsen“-Sänger Mélovin auf die Bühne, wo er „Under the Ladder“ präsentiert. Mir persönlich gibt diese avangardistische Popnummer auch nicht sonderlich viel. Der Song ist nicht sonderlich einprägsam und ich würde auch nicht so weit gehen, Mélowin als Charismatisch zu bezeichnen. Da hilft auch nicht diese eine spooky Kontaktline im Auge. So mittelmäßig, wie er singt, ist man eh schnell genug abgelenkt, um mal schnell aufs Handy oder sonst wohin zu gucken. Wobei die Bühnenshow mit auf einem Sockel stehenden Piano und brennender Treppe auf dem Weg dorthin wohl was her gibt. Letztendlich ist es typischer ESC-Stuff und ja, es ist die Ukraine, die werden vermutlich ihre Punkte schon irgendwo her bekommen. Aber ich kann wirklich nicht behaupten, dass der Song eine Bereicherung für den Event ist.
Wer wird sich also letztendlich qualifizieren? Wie schon zuvor ist das jetzt noch keine sehr sinnige Prognose, da der (noch unbekannte) Bühnenauftritt oder Gesangsschnitzer einiges ändern kann. Aber ich denke, Norwegen, Dänemark, Moldau, Niederlande, Australien, Polen, Ungarn, Schweden und die Ukraine können die Hotelzimmer schon mal buchen. Die verbleibenden zwei Plätze… wenns nach mir ginge, gingen diese an Georgien und… scheißegal. Lettland? Realistischer ist aber wohl, dass sich diese letzten beiden Tickets die Russen und die Serben greifen. Aber man weiß ja nie. 😉 Wen seht ihr weiter? Am Donnerstag wird darüber auf Facebook getickert. Seid doch dabei.