Dannimax goes Cinema! Heute: „First Man – Aufbruch zum Mond“

Nächstes Jahr zelebriert die Welt 50 Jahre Mondlandung. Wenig überraschend gab es dazu nun den passenden Film „First Man – Aufbruch zum Mond.“ Und die ganze Aufmachung, die Regie von La La Land-Regisseur Damiel Chazelle und Ryan Gosling als Neil Armstrong… das lässt erahnen, dass es ein Film werden soll, den die Academy vermutlich bei „Best Picture“ mit am Start haben wird. Grund also für Olli und mich, uns diesen Film jetzt schon mal anzusehen. Ist er eine solche Nominierung wert? Das erfahrt ihr nach dieser SPOILERWARNUNG.

Der 21. Juli 1969. 3:56 Uhr in Deutschland. Ohne dabei gewesen zu sein, kann ich sagen, dass vermutlich für sehr lange Zeit nicht mehr so viele Fernseher angeschaltet waren wie zu dieser Zeit. Nicht nur in Deutschland. Zum ersten Mal wurde in Großbritannien überhaupt nachts eine Sendung übertragen. Die DDR hatte noch ihr Testbild, doch wozu gab es Westfernsehn. Nur in Russland ließ man die Fernseher lieber schweigen. Noch. Das gezeigte war von so elementarer Bedeutung, dass sogar die Sowjetunion nachträglich über die Errungenschaften des Erzfeindes berichten musste. Ja, die Amerikaner hatten etwas so epochales geleistet, dass insgesamt 600 Millionen Menschen eine Liveübertragung im Fernsehen betrachteten. Die Mondlandung. Es brauchte erst ein Elvis-Konzert auf Hawaii und Muhammed Ali, um solche Ratings noch zu übertreffen.

Der Blick auf den heutigen Kalender verrät nun – die Mondlandung jährt sich nächstes Jahr zum 50sten mal. Es war ein Event, der die Menschheit zu visionären, wissenschaftlichen Menschen werden ließ, glaubend, dass es nichts gibt, was ein Mensch nicht erreichen kann. Natürlich scheint es da Pflicht, anlässlich dieses bedeutenden Tages der Menschheit einen Film darüber zu drehen. Und nun stell dir vor, du bist der 1985 in Rhode Island geborene Damien Chazelle, ein amerikanisch-französischer Regisseur, der mit 31 Jahren schon zum zweiten Mal bei den Oscars für „Best Picture“ nominiert wurde. Und du erhältst den Auftrag, anlässlich des 50sten Jubiläums der Mondlandung einen Film drüber zu drehen. Du bekommst sogar Ryan Gossling als Hauptdarsteller, der momentane heiße Scheiß des Filmgewerbes. Das Drehbuch kommt von Josh Singer, der den Oskar für Spotlight bereits gewonnen hat. Du hast Claire Foy, die als Königin Elisabeth II. Netflix mit ihrem Charme erobert. Und dein Film wird… ein Desaster. Schwer vorstellbar? Leider genau so geschehen.

First Man lässt mehr Chancen aus, ein guter Film zu werden als Mario Gomez Chancen ausließ, ein Tor für die deutsche Nationalmannschaft zu schießen. Den Zuschauer erwarten äußerst zähe 142 Minuten Filmzeit, die meist sehr plump, ziellos und unzufrieden stellend wirken. Bei einem guten Film versinkt man gerne mal komplett in die Story, vergisst alles um sich herum und taucht komplett, mit Haut und Haaren in das Gesehene ein. Hier aber reagiert man mit völliger Gleichgültigkeit auf die Protagonisten. Und das hat gleich mehrere Gründe.

Grund 1 – und das ist vielleicht etwas, wofür der Film nichts kann, falls die Darstellung denn Authentisch war: Den ersten Mann auf dem Mond zu portraitieren ist etwas undankbar, denn Neil Armstrong galt als sehr in sich gekehrt, sehr Medienscheu. Der Film hat es sich nicht etwa zur Aufgabe gemacht, die Mondlandung selbst zu zeigen, sondern viel eher auf das Leben des ersten Manns auf dem Mond bis zur Mondlandung einzugehen. Und was will man tun, wenn das Leben offensichtlich nicht viel hergibt? Ja, er war ein guter Pilot, er hatte drei Kinder, wobei die Tochter Karen mit 2 Jahren aber schon an Krebs starb. Und er war eben Astronaut bei der Nasa. Aber er war sicher kein Charakterkopf, der mit seinem Charisma einen ganzen Film füllen könnte.

Und dennoch trifft Chazelle an der Stelle eine falsche Entscheidung. Bei Neil Armstrong erwartet man, dass die Geschichte des Astronauten erzählt wird, der diese wichtigen Worte spricht „Thats one small step for man, a giant leap for mankind.“ Die Geschichte eines Menschen, den alle für einen Superhelden halten und von dem sie von mir aus überrascht feststellen, dass er durchaus seine Macken hatte und gar nicht so ein toller Superheld war.“ Doch stattdessen erzählen sie die Geschichte eines gebrochenen Mannes, der den Krebstod der Tochter nicht verkraften kann und sich einigelt.

Sogar das wäre legitim, wenn der Film dies cineastisch richtig darstellen würde. Stattdessen versuchen sie aber so ein „Manchester by the Sea“-Feeling aufkommen zu lassen. Bei allem, was er tut, wirkt er gelangweilt, emotionslos, kalt. Der Film versteift sich dabei auf völlig irrelevante Alltagssituationen. Das betrifft auch Ehefrau Janet und die Kinder. Ich bin in einem Film über die erste Mondlandung. Und ich bekomme eine ellenlange Szene geboten, in der Neil und Janet halt mit ihren Kindern spielen. Ich sehe, wie Neil Kartoffeln isst. Ich sehe, wie der jüngere Sohn zur sehr stillen und in sich gekehrten Mutter geht und fragt, was los ist. Worauf sich folgendes Gespräch entwickelt.
Kind: „was hast du?“
Janet, neutrale Stimmungslage: „Alles in Ordnung, mir geht’s gut?“
Kind: „fliegt Daddy zum Mond?“
Janet, in ihrer Funktion als Synchronisator für Polsat. „Ja“
Kind: „Künstlerpause…. Ich geh raus, spielen.“

Szene Ende…. Like what?? Natürlich, man kann das als poetische Bildsprache interpretieren, aber sie ist ziellos. In keiner dieser Szenen findet in irgendeiner Form eine Charakterentwicklung statt. Von der ersten Minute an tun die Armstrongs im Grunde immer das gleiche. Das wäre ja in Ordnung, wenn man die Charaktere des Films zuvor irgendwie hätte kennen lernen können. Aber das hat nie stattgefunden, man hat nie eine wirkliche Bindung zu den Charakteren aufbauen können. Nichts macht sie in irgendeiner Form „kennenswert.“ Und wann immer die Geschichte in eine Situation kommt, wo eine Aussprache oder Thematisierung interessant gewesen wäre, bleiben sie tatenlos oder der Film geht nicht mehr darauf ein.

Bestes Beispiel ist das erste Wiedersehen von Neil und Janet nach seiner Rückkehr in der Quarantänestation. Die ist mir als besonders steril in Erinnerung geblieben, denn kaum, dass sie sich sehen, reagieren sie überhaupt nicht aufeinander. Es wirkt als wären die beiden gerade im Begriff, sich scheiden zu lassen, weil sie sich überhaupt nichts mehr zu sagen haben. Sie reden in der ganzen Szene kein Wort. Und als Zuschauer denkt man sich da nur „das ist doch völlig unrealistisch, so reagiert doch keine Ehefrau, wenn der Mann gerade vom Mond zurück kommt. So reagieren höchstens zwei Menschen, die sich überhaupt nicht kennen. Natürlich, man könnte bewusst ein solches Bild zeichnen wollen. Aber mit welchem Ziel? Die Szene wird ja im Grunde auch nicht aufgelöst, sie hat wie viele Szenen zuvor keinerlei Konsequenz. Warum ist die letzte Szene im ganzen Film dann so bedeutungsschwanger? Da Janet die Jugendliebe von Neil war, kann man wohl zudem davon ausgehen, dass dieses erste Wiedersehen nicht so steril abgelaufen ist. Warum das alles also?

Dieses „nicht erklären“ dessen, was man sieht, schadet dem Film auch an anderen Stellen. Er springt so zum Beispiel ohne Erklärungen oder Jahresangaben in der Lebensgeschichte voran. Man sieht die Beerdigung von Karen, dann klingelt es an der Tür und eine Nachbarin schenkt Janet ein paar Kekse, sieht dabei, dass sie schwanger ist, kurz danach ist der Sohnemann schon im Milchzahnalter. Und dennoch scheint der Tenor weiter trauernd getragen zu sein. Man erfährt gar nicht, wie viel Zeit vergangen ist und man lässt potential aus, denn fröhliche Momente wie „wir bekommen noch ein Kind“, „Wir sind nach Houston umgezogen und wohnen da nun mit anderen Astronauten in einer Siedlung.“ Oder ähnlich persönliche Dinge scheinen nicht mal eine Erwähnung wert. Stattdessen sieht man Neil, wie er Eistee trinkt. Einmal immerhin kommt es vor, dass Janet auf den Putz haut und Neil zwingt, seinen Kindern zu erklären, dass er vielleicht den Flug vom Mond nicht überlebt. Dass er diese dann wie eine Pressekonferenz abhält und den Kindern nur sterile Plattitüden liefert ist tatsächlich einer der besseren Momente des Films. Aber in diesen 142 Minuten Film war dann dennoch keine Zeit zu zeigen, wie wohl die Kinder oder die frau auf sowas reagiert, bzw. wie sie diese Situation verarbeiten. Wieder hatte das Handeln keine wahrnehmbare Konsequenz.

Und da sind wir auch schon bei Grund 2, warum der Film ein Desaster ist. Nicht nur das Storytelling ist ein Desaster, auch die Kameraführung sorgt dafür, dass ich niemanden in diesem Film kennen lernen will. Denn der Film arbeitet mit steten Closeups. Es gibt in den ganzen 142 Minuten geschätzt vielleicht 5 Minuten, in denen bei nur einem Darsteller gleichzeitig Stirn und Kinn im Bild zu sehen wäre. Gerade auf einer Kinoleinwand gerät der gezeigte Darsteller damit quasi in den Intimbereich des Zuschauers. Das hatte etwas von einer Point of View-Perspektive.

Um das Problem damit etwas zu verdeutlichen… ja, diese Closeups sind natürlich dazu da, dass die gezeigten Personen näher an einen heran getragen werden. Gerade bei Leuten, die man mag durchaus legitim. Man stelle sich vor, der Freund oder die Freundin ist so nah an einem dran, dass man mit den eigenen Augen schon nicht mehr gleichzeitig Stirn und Kinn sehen könnte. Das ist quasi Kussreichweite. Ein tolles Gefühl… wenn man die Person mag. Jetzt stelle man sich allerdings vor, dass die Person, die unmittelbar vor deinem Gesicht klebt nicht etwa der oder die Geliebte ist, sondern Donald Trump. Was tritt ein? Korrekt, ein Fluchtreflex. Man dreht sich ab. Will nach hinten gehen. Das gestaltet sich aber ein wenig schwer, wenn man in einem Kinosessel sitzt und die Leinwand vor einem sich auch nicht entfernt. Wären die Darsteller in diesem Film auch nur ansatzweise so sympathisch, dass man sie in der Intimsphäre dulden könnte, wäre das ja in Ordnung. Aber das sind sie einfach nicht. Der einzige, der auch im Closeup erträglich ist, ist Buzz Aldrin (Corey Stoll). Den Rest willst du so nah nicht an dir ran haben. Und erst recht nicht den jammerisch wirkenden Ryan Gossling. Leider wird man dazu gezwungen.

Richtig sinnfrei werden die Closeups in Momenten, wo sie die technische Gerätschaft bedienen. Ja, diese Raketen waren eine sehr wackelige Angelegenheit. Es scheppert und rüttelt ordentlich, wenn sie darin sich bewegen. Leider scheppert die Kamera im gleichen Maße mit. Man kann sich weder darauf konzentrieren, was da vorgeht, noch will man der Szene beiwohnen, weil sie teilweise so unruhig ist, dass sie anstrengend zu verfolgen ist. Statt das Gefühl zu vermitteln, dass es in dieser Kapsel so unangenehm ist, dass man einfach nur aus der Kapsel raus will, hat man das Gefühl, dass es mit dieser Kameraeinstellung so unangenehm ist, dass man einfach nur aus dem Kinosaal raus will.

Wir sind bei Kapseln und kaputt gehenden Dingen angekommen. Grund 3 warum First Man eine enorme Pleite ist. Ich sitze in einem Film über die Mondlandung. Die größte technische Errungenschaft der damaligen Zeit. Eine Zivilisation, die 100 Jahre zuvor allein das Fliegen noch für lächerliche Science Fiction hielt, ist in der Lage, Raketen zu bauen und damit auf den Mond zu fliegen. Errungenschaften, auf die wir stolz sein können. Klingt wichtig, findet ihr? Das sah Damien Chazelle leider nicht so. Er zeigt natürlich authentische Gerätschaften der damaligen Zeit… aber er erklärt nichts. Er erklärt kaum, was die Gerätschaften tun und vor allem erklärt er nicht, was schief läuft. Das lässt die Nasa dadurch leider wie eine enorme Deppentruppe dastehen, bei denen alles kaputt geht, was sie nur anfassen. Auf Fragen wie „wieso konnte Armstrong die X-15 nicht mehr steuern“, „wieso haben sie die Kontrolle über Gemini 8 verloren“ oder „Wieso ist dieses Lunar Modul im Test abgestürzt, so dass er mit dem Fallschirm abspringen musste“ erhalten wir als Erklärung maximal einen Einzeiler. Anstatt mit Wissenschaftlichen Möglichkeiten zu begeistern, anstatt die Risiken richtig aufzuarbeiten und zu erklären, sieht man einfach nur alles schief gehen.

Richtig Potential verschenkt der Film bei dem Unglück der Apollo 1 Plug-Out-Tests, bei denen unter anderem sein Freund Edward White (Jason Clarke) verstirbt. Währenddessen ist Armstrong im weißen Haus und wird im Small Talk mit anderen sogar gefragt, ob er nicht mal erklären kann, was er da tut. Anstatt dass Armstrong nun Eigenarten dieser Kapsel erklärt, während man zeitgleich die drei Astronauten in eben jener Kapsel sieht, dazu übergehend, dass Armstrong auf die Gefahren eingeht und quasi parallel beschreibt, was den drei Piloten zum Opfer wurde, kommt ein Cut, er wird zum Telefon gerufen und erhält die Nachricht ob des Unfalls, mit der Begründung „Es war ein Kabelbrand.“ Es war mehr als das, aber wen kümmert es schon, dass denen der Sauerstoff in der Luft verbrannt ist, so heiß war, dass die Leichen mit den Anzügen und den Sitzen verschmolzen und wie das nur möglich sein konnte und was der Geruch nach saurer Milch damit zu tun haben könnte. Die Macher von First Man zumindest haben sich an solchen Fragen nicht aufgehalten. Langt ja, wenn es gut aussieht. Und noch schön ein Closeup drüber… Mondlandung? Das ist doch kein Grund, Mike Collins, den dritten Mann im Weltraum auch mal namentlich zu erwähnen… und 5 Minuten für Buzz Aldrin sind auch genug.

Es ist somit in jeglicher Hinsicht verschenktes Potential. Das einzige, was der Film wirklich gut macht, ist die Mondlandung an sich. Die visuellen Effekte generieren ein episches Gefühl, auf dass man lange warten musste. Nur, um es dann wieder durch eine Szene zerstören zu lassen, in dem man einen weinenden Neil Armstrong sieht, wie er während er auf dem Mond ist via Flashbacks nur an seine Familie und vor allem seine Tochter denken kann (der zweite Sohn ist da wohlgemerkt nicht zu sehen). Letztendlich hält eine Halskette seiner Tochter in den Händen hält, die er auf dem Mond in einen Krater wirft…. ALS OB DAS SO PASSIERT WÄRE. So ein Quatsch! Nein, First Man ist für einen Astronautenfilm der unwürdigste Film seit „Turks in Space“. Er ist langweilig, unwichtig und will den Zuschauer für Dumm verkaufen. In Anbetracht dessen, dass es der Film zu 50 Jahre Mondlandung darstellt, gehe ich noch etwas härter ins Gericht. Punkte gibt es für die wirklich gute Mondlandungsszene. Die hätte fast für zwei Sterne gelangt. Aber mich deswegen auf dem Weg dorthin mit mehr als zwei Stunden ödem Close-up-Manchester-by-the-Sea-getue zu quälen nehme ich dem Film ob seiner eigentlichen Bedeutung sehr übel. Daher nur 1 von 6 Monden

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