Dannimax goes Oscar! Heute: Vice – der zweite Mann

Dass Christian Bale neben Vincent D’Onofrio zu den größten „Chamäleons“ Hollywoods gehört, also Schauspielern die für ihre Rollen binnen kürzester Zeit entweder Gewicht oder alternativ Muskelmasse ab oder aufbauen können, ist bekannt. Diese Eigenschaft hat Bale nun auch eine Oscar-Nominierung für die beste Hauptrolle eingebracht. Denn er begab sich für den Film „Vice“ in die Rolle des ehemaligen Vizepräsidenten der USA, Dick Cheney. Dieser erhielt auch eine Nominierung in der Best Picture-Kategorie. Verdient? Ihr erfahrt es nach dieser Spoilerwarnung!


Es ist immer so ein Spiel mit den Erwartungen. Von Roma habe ich nicht viel erwartet, mir war nach dem Lesen der Inhaltszusammenfassung schon irgendwie klar, dass ich daran nicht viel Freude haben werde. Gerade die niedrigen Erwartungen (und die guten Schauspieler) halfen dann doch dabei, Roma und seine inhaltliche gähnende Leere nicht nur zu ertragen, sondern im zweiten Teil des Films auch zu genießen. Auch Blackkklansman ging in diese Richtung. Ich sah den Trailer, ich erwartete eine Komödie und erhielt ein Drama. So etwas beeinflusst mich in meiner Bewertung.

Und auch bei Vice hatte ich gewisse Erwartungen. Christian Bale futtert sich ein 20-Kilo-Bäuchlein an und wird auf alt getrimmt? Sam Rockwell als George W. Bush? Steve Carell als Donald Rumsfeld? Allein das Casting lässt vermuten, dass hier eine Comedy gezeigt werden soll, denn es brauchte schon sehr viel Schminke, um zu rechtfertigen, dass man eben diese Leute als „schauspielerische Kopie“ echter, realer Personen her genommen hat. Und auch Regisseur Adam McKay ist so ein Indiz dafür, was einen erwarten kann, von ihm ist auch der einst ebenfalls für Best Picture nominierte und von mir als extrem gut eingeschätzte Film „The Big Short“ über die Bankenkrise 2007. SWR 3 meinte in ihrer Kinorezension sogar 5 von 5 Punkten geben zu müssen, weil er so gut wäre. Die Erwartung: bösartige Comedy. Stattdessen gab es… ja was eigentlich…

Offiziell läuft „Vice – der zweite Mann“ als satirische Filmbiografie. Allein, dem Film gelingt es irgendwie so gar nicht, eine satirische Filmbiografie zu sein, er ist entweder eine Satire oder eine Biografie, aber scheitert kläglich darin, beide Elemente zu verbinden. Zudem… zugegeben, mein Wissen über „was ist Satire“ ist aus Schulzeiten und sicher etwas her, aber ich glaube noch zu wissen, dass ich damals gelernt habe. So soll Satire einen gesellschaftlichen Missstand mit dem Mittel der Übertreibung aufzeigen. Ich bin nicht wirklich sicher, ob der Film das getan hat. Bzw. gut getan hat.

Die Vergleiche zu „The Big Short“ sind dennoch naheliegend, denn McKay geht das Thema „Republikanische Präsidentschaften“ mit derselben Art Humor an, wie er es schon mit der Bankenkrise getan hat. Er bricht hin und wieder offen mit der vierten Wand und spricht seine Zuschauer direkt an, teilweise auch in den Rollen der Darsteller, er versucht Sachen Witzig und Abstrakt zu erklären. So wird zum Beispiel das Recht auf Folter von Irakern und das Eröffnen von Guantanamo Bay als Speisekarte in einem Restaurant von einem Kellner serviert, für den Alfred Molina einen Cameoauftritt liefert. All das wirkt immer sehr kurzweilig, wenngleich man es aus The Big Short kennt und als solches nicht sehr innovativ wirkt.

Der große Unterschied zwischen The Big Short und Vice ist allerdings – das, was in The Big Short zum steten Highlight des Films gehört, wirkt im gleichen Maße bei Vice als Störfaktor. Denn The Big Short hatte einen Handlungsfaden. Es gab ein Ereignis, auf das der ganze Film kontinuierlich zuarbeitete. Den hätte Vice auch gerne generiert, am Anfang suggeriert der Film noch, dass es darum ginge zu erklären, wie ein Mann so viel Macht anhäufen konnte. Doch dann bekommt man eben diese Biografie aufgetischt. Dick Chaney als besoffener Constructionworker mit Eheproblemen, Dick Chaney als Lakei von Donald Rumsfeld, sein Einzug ins Weiße Haus… Alles plätschert so vor sich hin und wird mit teilweise völlig unbedeutenden Szenen gefüllt wie z.B. einem Constructionworker, der sich ein Bein bricht und dann quasi einfach ignoriert wird. Wir erleben Dick Chaneys 60er, 70er und 80er Jahre und nichts in dieser Zeit erklärt wirklich, was da passiert ist.

Einer der besten Jokes des ganzen Films ist daher leider sogar Sinnbild dessen, woran der Film krankt. Denn nachdem George Bush Senior sein Präsidentenamt verliert und Cheney Geschäftsführer eines Ölkonzerns wird, stellen sie eine „Ende gut, alles gut“-Szene einschließlich Abspann vor, der dann von einem Anruf von George W. Bush unterbrochen wird, welcher ihn als Vizepräsident haben will. Ab diesem Moment fängt der eigentliche Film überhaupt erst an, vorher war er in seinem Amt für die Antwort, die der Film auf die Ursprungsfrage geben wollte nicht sonderlich bedeutend. Wozu dann diese lange Zeit des Geschichtsaufbaus, wenn er nichts Relevantes bietet?

Ein weiteres Problem ist auch, dass man gar nicht erkennen kann, ob der Film das Verhalten Cheneys durch Satire anprangern will oder tatsächlich eher eben Biografie sein will und die Handlungsweise Cheneys dem Zuschauer näher bringen will. Natürlich kann man sich denken, dass im Demokratisch gepolten Hollywood ein Film über Dick Cheney nicht als freundliche Homage zu verstehen ist. Aber der Film selbst tut eigentlich nichts für diese Erkenntnis und auch die Momente, wo man zum Mittel des Humors greift, um eine Situation zu persiflieren, wirkt dies eher störend zotisch denn mit dem zuvor gezeigten zusammenhängend. Zudem verzettelt sich der Film in einige völlig irrelevante Rückblenden oder Nebengeschichten, die den Zuschauer entweder irritieren (Während der 60er Jahre eine Vorblende auf Fox News, während der 90er eine Rückblende zu den 60ern, wo er betrunken Auto fährt) oder die für die Handlung gänzlich irrelevant sind (Das Schicksal der Erzählstimme und sein Zusammenhang mit Dick Cheney zum Beispiel.)

Zum Ende des Films bricht Bale als Cheney sogar die 4te Wand und wendet sich direkt an die Kamera und gibt von sich, dass er keine seiner Taten bereuen würde, denn er hätte alles für das amerikanische Volk gemacht, dass er zu beschützen geschworen hätte. Der Film-Zuschauer wird dabei nicht nur direkt angesprochen, es ist auch noch so überzeugend angebracht, dass man fast glauben könnte, Cheney hätte sein ganzes Lang wirklich aus dieser Überzeugung heraus gearbeitet. Auf der einen Seite natürlich ein Smarter Kniff um mit den Gefühlen seiner Zuschauer zu spielen. Aber auch hier wieder ein zweischneidiges Schwert, denn es wächst auch der Gedanke „Wollen die mir jetzt wirklich verkaufen, dass Cheney davon überzeugt wäre, das alles für andere gemacht zu haben, um damit 9/11 zu rächen? Wollen die mir Cheney jetzt auch noch als „den guten“ verkaufen?“ Will er natürlich nicht, man zweifelt auch nicht an Cheneys Absichten, sondern daran, ob der Film die richtigen Wege gewählt hat, um dem Zuschauer das zu vermitteln, was er vermitteln wollte.

Quasi mit der Schlussszene weiß man daher eigentlich gar nicht mehr, wo man dran ist. Und es überwiegt Enttäuschung. Die hatte man auch bei The Big Short, aber weil man Enttäuscht darüber war, wie man selbst Spielball der Mächtigen war und wie wenig man dagegen machen konnte, man war enttäuscht darüber, wie schlecht die Welt ist. Bei Vice ist man aber eigentlich nur darüber enttäuscht, dass man einen Film gesehen hat, der sein Potential niemals auch nur ansatzweise konnte, der über weite Strecken bedeutungslos und fast langweilig war und der einem keine Antworten auf Fragen gab, die man sich auch vorher nie gestellt hatte. Ja, es mag sein, dass der Film bei einem amerikanischen Publikum nochmal anders landet. Ich hingegen komme nicht über meine unerfüllten Erwartungen hinweg und setze ihn in dieser Saison sogar noch unter Roma. Was nichts anderes bedeutet als 2 von 6 Sternen!

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